Urteil gegen Rechtsextreme: Fünf Jahre Haft für Schläger-Nazi

Vier Neonazis treten einen Mann fast tot, einer muss nun ins Gefängnis. Das Gericht geht davon aus, dass das Opfer angefangen hat

Drei der vier Angeklagten im Gericht Bild: dpa

Der Hauptangeklagte in dem Prozess um vier Neonazis, die im vergangenen Juli einen Mann fast tot traten, ist am Donnerstag im Landgericht zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Zwei weitere kamen mit Bewährungsstrafen davon, der Vierte wurde frei gesprochen. "Eine Anklage wegen Mord und dennoch mildere Strafen als die Staatsanwaltschaft forderte - da muss es eine ordentliche Begründung geben", nahm Richter Kay-Thomas Diekmann möglichen Kritik vorweg.

Laut Anklageschrift sollen die Männer im Alter von 20 bis 26 Jahren versucht haben, den 22-jährigen Jonas K. mit einem so genannten Bordsteinkick zu töten um dem "vermeintlichen politischen Gegner" ihre Macht zu demonstrieren. Die Neonazis hingegen gaben an, angegriffen worden zu sein, weil einer von ihnen eine Jacke der bei Neonazis beliebten Marke "Thor Steinar" trug. Die Staatsanwaltschaft hatte zuletzt acht Jahre Haft für den Hauptangeklagten gefordert, sowie dreijährige Strafen für die zwei anderen. Den vierten wollte sie auch frei sprechen. Es könne nicht bewiesen werden, dass er mehr getan habe, als seinen Kumpel zu verteidigen.

Das Gericht geht nun davon aus, dass die vier Neonazis nach einem Diskobesuch angegriffen wurden und sich gegen eine deutlich stärkere Gruppe verteidigen mussten. Nach einer Schlägerei traten sie zunächst auf Jonas K. ein, drei der vier Täter hörten dann aber auf. Bis zuletzt war unklar, ob Jonas K. auch zu den Angreifern gehörte. Dafür hatte es Hinweise gegeben, obwohl Zeugen ihn zum Teil auch als Unbeteiligten beschrieben. "Wir müssen im Zweifel für die Angeklagten entscheiden, und gehen deshalb davon aus, dass Jonas K. einer der Angreifer war", sagte der Richter. "Würde er vor Gericht stehen, müssten wir den Zweifel zu seinen Gunsten auslegen und annehmen, dass er es nicht war."

Nachdem die Angreifer geflüchtet waren, habe der später Freigesprochene sofort aufgehört zu treten, so das Gericht. Michael L., der die "Thor Steinar"-Jacke trug, habe sich zu Schulden kommen lassen, dass er hilfswillige Passanten vom Opfer fern hielt und dadurch dessen weitere Misshandlung ermöglichte. Der vierte und jüngste der Gruppe habe zwar auch weiter getreten, aber aufgehört, als jemand rief: "Der bewegt sich doch gar nicht mehr." Dann habe er versucht, den Hauptangeklagten zurückzuhalten. Er und Michael L. erhielten jeweils Haftstrafen, die auf Bewährung ausgesetzt wurden. "Sie können sich absolut sicher sein, dass Sie einsitzen, wenn Sie in den nächsten drei Jahren auch nur die kleinste Straftat begehen", schärfte Diekmann den beiden Männern ein.

Den Richtern zufolge trat allerdings der Hauptangeklagte, Oliver K., weiter, bis die Polizei ihn wegzerrte. K. habe die klare Absicht gehabt, sein Opfer zu töten. Noch eine Stunde nach der Tat sagte er: "Der Kopf hätte auf dem Bordstein liegen müssen - und dann wumm." Als mildernd werteten die Richter, dass Oliver K. betrunken war und sein Opfer keine bleibenden Schäden davon trug. "Das ist gängige Rechtsprechung, auch wenn es nicht Ihr Verdienst ist", sagte Richter Diekmann zu Oliver K. Für die "üble Gewaltorgie" habe das Gericht die "höchste Strafe verhängt, die begründet werden konnte".

Zum politischen Hintergrund der Tat sagte Diekmann, dass die rechtsextreme Einstellung der Männer nicht ihre Hauptmotivation gewesen sei. Der Satz "du Zecke stehst nicht mehr auf" könne keinem der Angeklagten konkret angelastet werden.

Der Anwalt des Opfers sagte nach dem Urteil, angesichts der schwierigen Beweislage sei er "nicht unzufrieden". Er werde das Urteil voraussichtlich nicht anfechten. L. Sander

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