Kolumne Laufen: Von Patenten und Protesten

Warum Haile Gebrselassie beim Dubai-Marathon die Millionen jagt und was das ganze mit Hot Yoga zu tun hat.

Heute ist ein großer Tag. Heute findet der Dubai-Marathon statt, das Eine-Million-Dollar-Rennen. Der Sieger des Rennens kassiert 250.000 US Dollar, bei Weltrekord nochmals eine Million. Gehalten wird die Bestmarke von 2:03:59 Stunden von Haile Gebrselassie, dem Mann, der immer ein Lächeln auf dem Gesicht trägt. Und der Meister selbst wird heute auf die Millionenjagd gehen. Bei derartigen Summen hat er einen guten Grund, schnell zu laufen, und sehr wahrscheinlich ist er auch aus diesem Grunde auf die Marathonstrecke umgestiegen. Weg vom Stadionrund, weg von den 5.000 und 10.000 Metern.

Doch weit gefehlt, es war und ist nicht das Geld, das ihn auf die längste olympische Ausdauerdisziplin brachte. Oder doch, es war gerade das Geld.

Allerdings nicht die Millionen Dollar, die er verdienen kann, sondern vielmehr die Millionen, die er damit nicht mehr bezahlen muss. Ja, Gebrselassie musste für jeden Wettkampf einen Teil seines hart verdienten Geldes abgeben. Einem Laufguru aus Deutschland.

Ich sage nur: "Hot Yoga." Das US-Patentamt hat einem indischstämmigen Yogi namens Bikram Choudhury die Rechte auf "Hot Yoga" zugesprochen. Es sind 26 spezielle Übungen, die in einem Raum durchgeführt werden, der auf exakt 40,5 Grad mit 50 Prozent Luftfeuchtigkeit erhitzt ist. 26 Übungen in spezieller Reihenfolge und spezieller Körperhaltung. "Hot Yoga" eben. Der gute Mann hat es in den USA mit dieser Methode zu einigem Wohlstand gebracht. Es soll schon mehr als 900 "Hot Yoga"-Studios geben. Indien schlägt schon Alarm. Yoga ist Kulturgut, seit Jahrtausenden Bestandteil der hinduistischen Lehre. Yoga ist Philosophie, das kann man doch nicht patentieren, so die Stimmen aus Indien. Aber was nützt schon ein Protest aus Indien? Eben. Nichts. Ein in Deutschland berühmter Laufguru hat vor Jahren in den USA das Vorfußlaufen als Patent schützten lassen. Manche werden sich noch erinnern. "Strecke deine Arme wie Flügel weit von dir, schaue auf die Welt und fühle dich wie ein Adler." Das war seine Maxime. "Laufe jeden Morgen um sechs Uhr. Laufe auf dem Vorfuß und lächle dabei", die zweite.

Morgens um sechs Uhr? Laufen und lächeln, auf dem Vorfuß? Wie das funktionieren soll, weiß ich bis heute nicht. Aber der Laufguru hat die Massen zum Laufen gebracht. Noch bis heute, viele Jahre später, versuche ich in mühevollen Therapiegesprächen den Läuferinnen und Läufern klarzumachen, dass ihr Muskelfaserriss in der Wade daher rührt, dass sie völlig unökonomisch, ja geradezu zwanghaft auf den Fußspitzen zu laufen versuchen. Aber was nützt schon das gute Zureden eines Experten? Eben. Nichts. Und was haben sie diesem Mann Geld hinterhergeworfen! Bei jedem Schritt sozusagen, dem Erfinder des Vorfußlaufens. Für Haile Gebrselassie war es besonders bitter. Das Patent war in den USA angemeldet. Bis heute wird in Fachkreisen gerätselt, warum der Äthiopier bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta auf den Start über 5.000 Meter verzichtete. Ganz einfach: Ein Sieg hätte ihn Lizenzzahlungen in Millionenhöhe gekostet. Viele Jahre trainierte Gebrselassie an seiner Lauftechnik, um endlich über den ganzen Fuß abrollen zu können. Stellen sie sich einmal vor, ein Marathonweltrekord im Vorfußlaufen? Das wäre teuer geworden. Morgen also jagt er beim Weltrekordversuch die Millionen in Dubai. Mit für ihn neuer Lauftechnik, den ganzen Fuß abrollend, aber mit dem altbewährten Lächeln im Gesicht. Aber Vorsicht, lieber Haile! vielleicht ist Lachen in den USA auch schon als Patent angemeldet. Das kann dann teuer werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.