Schlittschuhlaufen: In der Endlosschleife

Auf der Eisbahn in Hamburgs Innenstadt-Park Planten un Blomen fallen Erwachsene hin, die lange nicht mehr gelaufen sind, und Kinder, die noch nicht lange laufen. Und dann gibt es noch die 13-Jährigen mit ihren Mädchen. Die Mädchen fallen nicht hin.

Nach zwei, drei Runden sieht es bei den meisten schon ganz gut aus: Die Eislaufbahn im Park Planten un Blomen. Bild: Miguel Ferraz

Auf den Tischen stehen Thermoskannen und Becher. Was in den Bechern ist, dampft. "Kalte Füße?", fragt ein Vater seine Tochter. Ja, wenn es nur das wäre. Kalte Nasen, Finger, Hintern. Einfach alles.

Samstag, so gegen 12 Uhr, auf der Eisbahn im Hamburger Innenstadt-Park Planten un Blomen. Die Anlage ist nicht hübsch, aber sie läuft. Auf dem Eis liegt Schnee, auf den Mützen der Läufer auch. Und auf den kleinen Männchen, den "Laufhilfen", die abstehende Ohren haben, die aber nicht genug abstehen, so dass ihnen über den Ohren kleine Griffe aus dem Kopf wachsen, an denen sich die unsicheren Eisläufer festhalten können. An den Haltern hängen Kinder, die sich, wenn sie merken, dass ein Sturz unvermeidlich ist, sanft an den knuffigen Plastikmännchen entlang aufs Eis gleiten lassen. Ohne Männchen: bautz. An den Haltern hängen auch Erwachsene, die zum ersten Mal Eislaufen, oder lange ausgesetzt haben. So etwa 20 Jahre.

Als es noch keine Chatrooms gab, gingen ambitionierte 13-Jährige mit dem Mädchen, das eben noch nicht "ihr" Mädchen war, auf die Eisbahn. In der Hoffnung, sie beim Sturz aufzufangen, um so herauszufinden, aus welchem Material die eigentlich sind: Frauen. Und sie auch mal an der Hand zu halten. Und ihr was zu kaufen. Die Eisbahn macht locker. Aber dann machten die ambitionierten 13-Jährigen die Erfahrung, dass die Mädchen es schon konnten. Das Eislaufen. Und wenn einer Hilfe nötig hatte, dann war es der 13-Jährige. Bautz. Das ist auch in Zeiten des Chatrooms so geblieben.

Ein Pärchen tanzt Standard, das sieht gut aus. Ein älterer Herr, ohne Zweifel der Star der Bahn, in einem weißen Norwegerpullover mit schwarzem Greif, dreht Pirouetten. "Als ich das erste Mal hier war", macht die eine Mutter der anderen Mut, "hab ich für drei Runden zwei Stunden gebraucht." Ein kleines Mädchen mit weißer Mütze sieht aus wie eine Schneeflocke auf Beinen. "Papaah", ruft es von irgendwoher und - bautz.

Wichtig ist dann: Keine Panik, sonst überträgt sich das aufs Kind. Eher so: "Nix passiert - oder?" Wenn was passiert ist, merkt man das noch früh genug. Um 13 Uhr soll es Essen geben, aber das wird aufgeschoben. Denn es wird gerade Eis gemacht: "Ich bleib doch bis zum nächsten Eismachen, wenn das Eis frisch ist, das muss ich ausnutzen", sagt der Mann. Und die Frau, draußen an der Bande, seufzt - leise.

Das Eis macht ja was mit den Menschen, und was immer es macht, man sollte es öfter haben. Denn die Leute haben fröhliche Gesichter. So leistet das Eis eine Menge, und auch die Kinder sind in einem Alter, in dem sie so unschuldige Dinge wie Schlittschuhlaufen machen, ohne daran zu denken, was die anderen in ihrem Alter darüber denken. Und vor allem sagen.

Manche Kinder haben schicke Helme auf, andere trinken Eistee, manche haben vom Kakao, den die Mutter in der Thermoskanne warm hält, einen braunen Rand um den Mund. Kakao in der rechten, Kuchen in der linken Hand und die Füße in den pinkfarbenen Strümpfen stumm und starr von sich gestreckt, damit der Vater sie warm knetet.

"Mein Papa ist erst 35", sagt eine Sechsjährige bedächtig zu einer anderen Sechsjährigen, während die beiden ihre Erziehungsberechtigten beim Eislaufen beobachten. "Meiner ist älter", antwortet die andere. "Meine Mutter", sagt darauf die Erste, "ist erst 34." Pause. "Hm", sagt darauf die Zweite, "echt?" Beide schweigen und überlegen. "Nochmal laufen?", fragt die Erste. "Hm", macht die andere.

Es gibt Eisläufer, die laufen nicht, sondern versuchen den unvermeidlichen Sturz so lange wie möglich hinauszuzögern. Dabei zuzugucken macht sehr viel Spaß. "Suuper Schatz", sagt Er, sicher verwahrt hinter der Bande stehend, während Sie versucht, auf dem Eis zu gehen, statt zu gleiten. Bei Guido ist es umgekehrt. Er fährt, sie macht Mut: "Du kannst das, ich weiß es." Mädchen, die spitze Schreie ausstoßen, wenn sie ins Straucheln kommen. Irgendwas von den "Ärzten" bollert aus den Lautsprechern, während das Stürzen seine suggestive Kraft entfaltet. Fällt einer, fallen auch andere. Schon weil viele stehen bleiben und lachen. Sehr schön auch: Sie stürzt, er hilft auf. Er stürzt auch, sie, gerade wieder auf die Beine gekommen, plumpst erneut hin. Könnte der Beginn einer Endlosschleife sein. Nach zwei, drei Runden sieht es bei den meisten besser aus. Ganz erstaunlich: Keine Handys. Sind nicht verboten, hat aber keiner Bock drauf.

"Warum tu ich mir das an?", fragt sich ein Mann in den besten Jahren, "warum steh ich nicht draußen und trinke einen Glühwein?" - "Oh mein Gott", sagt eine Brünette, und dann den ganzen Satz in einem Wort, weil die Zeitspanne, bis sie auf dem Hintern landet, rasch abnimmt: "Ouha." Und schon hats gebautzt.

Eltern sind ja sehr gut organisierte Einheiten: Haben neben Essen und Trinken auch die Ersatzsocken dabei, Handtücher, zum Trockenreiben von Füßen, ein zweites Paar Handschuhe, weil das erste von den vielen Stürzen durchnässt ist. Die Kinder, die zu klein für die Bahn sind, werden unter die Höhensonnen, die in gewissen Abständen am Dach der Eishalle montiert sind, geschoben. Man darf sie dort nicht vergessen. "Suuper Schatz".

Die Kinder, die zu klein für die Bahn sind, werden unter die Höhensonnen, die in Abständen am Dach der Eishalle montiert sind, geschoben

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.