126 Staaten bei UN-Konferenz: Das große Labern

Die 126 Reden im Namen von 126 Staaten zeigen: Trotz aller oberflächlich gemeinsamen Absichten könnten die Interessen kaum unterschiedlicher sein.

Einer von 126: Venezuelas Präsident Hugo Chavez. Bild: dpa

KOPENHAGEN tazAuf den ersten Blick scheinen sich alle unheimlich einig: Der Klimawandel sei "die größte Herausforderung für die Menschheit", es gehe um nichts Geringeres als "die Zukunft unserer Kinder", heißt es immer wieder an diesem Tag der großen Reden, an dem 126 Staats- und Regierungschefs, stellvertretende Ministerpräsidenten oder Minister vor der Klimakonferenz in Kopenhagen die Bühne betreten. Doch schnell zeigt sich, wie weit die Interessen mitunter auseinanderliegen.

Anote Tong etwa ist Präsident des pazifischen Inselstaates Karibati und kämpft ums Überleben seiner Bevölkerung. Als er ans Mikrofon tritt, spricht er ruhig und staatsmännisch-souverän, anders als die Delegationsmitglieder einiger Inselstaaten in den ersten Verhandlungstagen. "Die Zukunft unserer Leute und gewiss der Rest der Menschheit wird durch unser Handeln in den nächsten Tagen entschieden", sagt Tong. Die Dringlichkeit des Klimawandels sei vielleicht nicht für jedes Land die gleiche, aber die Richtung sei "fraglos die gleiche". Wo es eine Kluft in den Verhandlungen gibt, solle, so lautet Tongs Vorschlag, die Wissenschaft die Richtung vorgeben. Etwas anderes als der Appell, die Erkenntnisse der Klimaforschung ernst zu nehmen, bleibt den kleinen Inselstaaten ohnehin nicht.

Kurz nach Tong tritt Scheich Nasser Mohammed al-Ahmad al-Jaber al-Sabah ans Rednerpult. Nach einigen freundlichen Worten an die dänische Präsidentschaft für die gelungene Organisation spricht er schon von "Technologien" und "Finanzmechanismen". Doch auch er will "die Welt an unsere Kinder in einer guten Verfassung übergeben", weshalb er sich für Zukunftstechnologien wie CCS ausspricht, also die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid unter der Erde. Technologien also, die weiterhin mit fossilen Brennstoffen arbeiten.

Nicht Technologien, sondern Geld für Waldschutz fordert der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono. Laut und eindringlich kritisiert er, dass Industriestaaten in der Vergangenheit bereits eine enorme Entwaldung vorgenommen hätten. "Ich appelliere an Sie alle, die Waldnationen nicht als selbstverständlich anzusehen", sagt Yudhoyono. Entsprechend der Schlüsselrolle der Wälder für den Klimaschutz müsse ein wirtschaftlicher Mechanismus eingeführt werden.

Für eines der Industrieländer spricht am Vormittag der australische Präsident Kevin Rudd. "Keiner von uns kommt mit sauberen Händen zu dieser Konferenz", sagt er, um dann auf die Rolle der Entwicklungsländer zu kommen: "Wenn die entwickelte Welt CO2-neutral wird und die Entwicklungsländer mit dem jetzigen Trend weiter wachsen, dann ist die Wahrheit, dass allein die aufsteigenden Wirtschaften für mehr als die Hälfte der globalen Emissionen im Jahr 2050 verantwortlich sein werden."

Der Präsident eines weiteren Inselstaates bringt es letztlich auf den Punkt: "Die Welt schaut nicht auf kleine Länder wie meines", sagt Bharrat Jagdeo aus Guyana. "Die Welt schaut auf die Führungsrolle von zwei Ländern: USA und China." Er unterstütz die Forderung der Allianz der kleinen Inselstaaten, dass die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden müsse. "Doch das Ziel ist irrelevant, wenn die Reduktionsziele nicht ehrgeizig genug sind."

Mit einem verbindlichen Abkommen scheint in Kopenhagen allerdings niemand mehr zu rechnen. Dies müsse auf 2010 verschoben werden - eine neue Möglichkeit, um ähnlich schöne Reden zu halten.

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