Titelkampf: Professor oder keiner

Ein Forschungsinstitut will einen Physiker auf die Straße setzen. Siebenmal wurde dem 62-Jährigen erfolglos gekündigt, jetzt soll er als angeblicher Hochstapler fliegen.

Hier darf nicht jeder einfach so wirken: Ein Physiker am Bremer Institut für angewandte Strahltechnik. Bild: dpa

Schauplatz des Konflikts ist das Bremer Institut für angewandte Strahltechnik (BIAS): Es gehört einem öffentlichen Förderverein, dessen Vorstand weitgehend mit Vertretern des Landes besetzt ist. Bremen kommt auch für einen jährlichen Finanzzuschuss auf, der Institutsdirektor ist zugleich Lehrstuhlinhaber an der Universität. Sascho Manev, wie wir ihn nennen wollen, arbeitet schon seit 1987 am BIAS, mittlerweile ist er Abteilungsleiter. Zuvor hat er eine Hochschulkarriere in Moskau, dann an seiner Heimatuniversität in Sofia und als Stipendiat an einem deutschen Max-Planck-Institut gemacht.

Bei seiner Anstellung in Bremen brachte er den Professorentitel aus Sofia mit, bestätigt der damalige Institutsleiter Werner Jüptner der taz. Daran habe bis vor kurzem niemand gezweifelt. Auch an der Bremer Uni hat Manev offiziell als Professor gelehrt.

2003 bekam das Institut mit Frank Vollertsen einen neuen, gut zwanzig Jahre jüngeren Chef, und für Abteilungsleiter Manev wurde es ungemütlicher; was auch mit zeitweiligen Geldnöten in seinem Arbeitsbereich zusammenhing. Manev und sein neuer Chef verkrachten sich. Während der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen "untersagte" Wissenschaftssenatorin Renate Jürgens-Pieper Manev den Professorentitel - ganz plötzlich, nach mehr als 20 Jahren. Dabei stützt sich die Behörde auf ein rechtlich unverbindliches Gutachten, das sie bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) bestellt hatte, einer Auskunftei der Kultusministerkonferenz. Nähere Erläuterungen zu dem Vorgang will die Ministerin im schwebenden Rechtsstreit aber nicht geben.

Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die internationale Bezeichnung "Associate Professor", die auch in Bulgarien üblich und offiziell anerkannt ist, nicht einfach zum "Professor" eingedeutscht werden könne. Dem ZAB zufolge ist mit dieser Bewertung allerdings nichts über Manevs Qualifikation gesagt. Das müssen jetzt die Gerichte klären. Manev hält erst mal an seinem "Professor" fest. Für das BIAS Grund genug für eine erneute Kündigung: Mit dem angemaßten Titel, so das Institut, schade er der internationalen Glaubwürdigkeit des BIAS.

Die Frage, ob ein ausländischer Titel auch hierzulande als "Professor" geführt werden darf, ist an sich einfach zu klären: Nach einer Strafanzeige kümmern sich Staatsanwälte und Gerichte um die Sache. Denn der Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen ist im Strafgesetzbuch mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bewehrt. Aber darauf lässt es die Senatorin nicht ankommen: Sie "untersagt" Manev die Titelführung einzig im eigenen Namen, als Verwaltungsbehörde.

Und betritt damit juristisches Neuland, erklärt der Sprecher des Verwaltungsgerichts: Zur Untersagung aufgrund des Bremischen Hochschulgesetzes gebe es bislang "keine Rechtsprechung". Es gibt auch keine Kommentarliteratur. Deshalb bittet das Gericht die Behörde jetzt schon zum zweiten Mal um eine genauere juristische Begründung für die Aberkennung des Titels, also ein Überdenken der Entscheidung.

Erst nach der endgültigen Klärung der Titelfrage können sich die Arbeitsrichter näher mit der Kündigung befassen. Manev selbst lehrt im laufenden Wintersemester an einer französischen Hochschule - natürlich als "Professor". Titelfragen aus der deutschen Bildungsprovinz gelten offenbar nicht überall in der Welt.

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