Japan rückt nach rechts

WETTRÜSTEN Der Atomtest kommt den Hardlinern in Tokio gelegen: Sie wollen die pazifistische Verfassung ändern, um die japanische Armee zu stärken

TOKIO taz | Mit neuen, eigenen Sanktionen will Japans rechtskonservative Regierung auf Nordkoreas dritten Atomtest reagieren. Premierminister Shinzo Abe verurteilte den Test als „ernste Sicherheitsbedrohung“, die Japan nicht hinnehmen werde. Daher sollen die Einreisekontrollen für Nordkoreaner, die in Japan leben, verschärft werden. Das vollständige Handelsverbot, das nach dem ersten Test von 2006 verhängt wurde, bleibt bestehen.

Die neue Herausforderung durch Nordkorea kommt dem 58-jährigen Hardliner allerdings nicht ungelegen: Als eigentliches Ziel seiner Regierungszeit strebt Abe eine Reform der pazifistischen Verfassung an. Und ein mit Atomraketen bewaffnetes Nordkorea bietet sich als starkes Argument dafür an, den Bruch mit der pazifistisch geprägten Nachkriegsära zu vollziehen.

Die Verfassung stammt aus der Zeit nach der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg, sie wurde dem Land von der Siegermacht USA verordnet. Ihr Artikel 9 legt fest, dass man „für immer dem Krieg widersagt“.

Doch Abe will die „Selbstverteidigungskräfte“ in eine „bewaffnete Streitmacht“ umbenennen und der Armee die Beteiligung an bewaffneten Auseinandersetzungen erlauben. Als Symbol für seine Absicht, Japans Gewicht in Ostasien auch militärisch zu stärken, erhöhte Abe erstmals seit elf Jahren die Ausgaben für Verteidigung.

Zugleich dürfte der Aufstieg von Nordkorea zu Ostasiens zweiter Atommacht neben China die Rechtskonservativen darin bestärken, das zivile Nuklearprogramm fortzusetzen. Nach dem Regierungswechsel hatte Abe angekündigt, anders als sein Vorgänger Yoshihiko Noda an der Atomenergie als Stromquelle festzuhalten.

Japans Plutoniumvorräte sollen potenziell auch zur Abschreckung dienen. „Wir brauchen kommerzielle Reaktoren, weil sie uns erlauben, in kurzer Zeit einen Atomsprengkopf herzustellen“, sagt etwa Exverteidigungsminister Shigeru Ishiba.

Allerdings muss Japan für seine harte Haltung einen politischen Preis bezahlen: Die neu aufgenommenen Verhandlungen mit Pjöngjang über das Schicksal von verschollenen Japanern, die nach Nordkorea entführt wurden, liegen wegen Pjöngjangs Aufrüstung inzwischen wieder auf Eis.

MARTIN FRITZ