Obama soll helfen: Alarmierende Suizidrate in US-Armee

Kurze Pausen, harte Einsätze: In den letzten drei Jahren ist die Suizidrate in der US-Armee um fast 40 Prozent gestiegen. Die Armee fordert Obama zum Handeln auf.

Mit allem drum und dran: US-amerikanische Mililärbegräbnis. Bild: ap

WASHINGTON taz | Eine dramatische Suizidrate unter ihren Soldaten alarmiert die US-Armee. Allein in diesem Jahr hätten sich bis zum November 140 amerikanische Soldaten das Leben genommen – so viele wie im gesamten Jahr 2008, erklärte der Vize-Staabschef der Streitkräfte, Peter Chiarelli am Dienstag in Washington. Viele Armeemitglieder führen das auf die kurzen Pausen zwischen den harten Einsätzen der Soldaten im Irak und in Afghanistan zurück. Sie fordern jetzt von US-Präsident und Armeechef Barack Obama Konsequenzen.

Seit 2006 sei die Zahl der Soldaten, die den Freitod wählten, in den US-Streitkräften um 37 Prozent gestiegen. Vergangenes Jahr habe ihre Rate innerhalb der Armee erstmals über der landesweiten gelegen. Führende Generäle befürchten, dass die steigenden Zahlen auf den zunehmenden psychischen Druck der Truppen in ihren Einsatzgebieten zurückzuführen sind. "Der Hauptgrund sind die mehrfachen und langen Einsätze der Soldaten, die weit weg von zu Hause fürchterlichen Dingen ausgesetzt sind ", erklärte Armeepsychiaterin Elspeth Ritchie dem Sender Voice of America. Dazu komme der leichte Zugang zu Waffen, sowie eine Armee, die derzeit "sehr, sehr beschäftigt" sei.

Armeemitglieder fürchten, dass dieser Stress noch zunehmen könnte, sollte Präsident Obama den Forderungen von ISAF-Kommandeut Stanley McChrystal nachkommen und zehntausende zusätzliche Truppen nach Afghanistan schicken. Die Generäle forderten Obama auf, heimgekehrte Soldaten mindestens ein Jahr lang in den USA zu lassen, bevor sie erneut in ein Einsatzgebiet geschickt werden können. Das wiederum könnte den Präsidenten in Schwierigkeiten bringen, wie die militärische Denkfabrik Institute for the Study of War in Washington meint. Würde Obama auf seine Generäle hören und den Soldaten die geforderten Einsatzpausen gönnen, könnte er demnach gerade einmal auf 11.000 bis 15.000 Truppen zurückgreifen – weit weniger als die 40.000 von McChrystal geforderten.

Erst vor zwei Wochen hatte der Amoklauf eines Armeepsychiaters im texanischen Fort Hood für Aufsehen gesorgt, der möglicherweise rot sah, als er nach Afghanistan geschickt werden sollte. Nidal Malik Hasan hatte 13 Menschen getötet und rund 40 verletzt. Die Ermittlungen gegen ihn laufen noch.

Die Studie eines Veteranenverbands mit der Universität von Kalifornien hatte im Sommer ergeben, dass über ein Drittel der amerikanischen Kriegsheimkehrer aus Afghanistan oder dem Irak psychische Probleme hat – etwa das posttraumatische Stress-Syndrom oder Depressionen. Viele Rückkehrer litten außerdem unter Alkoholsucht. Die Autorin der Studie, Karen Seal, erklärte sich dies mit "den wiederholten Einsätzen, den gefährlichen und undefinierten Kriegssituationen im Irak und in Afghanistan, wo es keine definierte Front gibt" sowie einer schwindenden Truppenmoral. Das Posttraumatische Stress-Syndrm finde darüber hinaus heute mehr Beachtung als früher. Es sei teils erst nach vielen Jahren als solches erkennbar.

Als Reaktion auf die steigenden Suizid-Raten hat die Armee bereits mit zahlreichen Therapie-Programmen reagiert. Verbal, in Anzeigen oder auf Aushängen in vielen Supermärkten und Restaurants werden US-Soldaten ermutigt, Hilfe zu suchen und ihr Problem nicht unter den Teppich zu kehren. Heimkehrer von Kriegsschauplätzen werden gezielt befragt, um etwaige mentale Probleme herauszufinden. Allerdings sind nach den Worten von Vize-Stabschef Chiarelli die Motive für die Suizide derart vielschichtig, dass es schwer sei, sie einem größeren Trend zuzuordnen. So sei ein Drittel der aktiven Soldaten, die sich bisher in diesem Jahr das Leben genommen hätten, niemals in einer Kriegszone eingesetzt gewesen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.