Vor dem Länderspiel gegen Elfenbeinküste: Wunderbares Westafrika

Die Elfenbeinküste, Kamerun, Ghana und Nigeria reisen zur Fußball-Weltmeisterschaft. Vor allem die Côte d'Ivoire, Gegner der DFB-Auswahl am Mittwochabend, wird hoch gehandelt.

Didier Drogba, der Kapitän des Teams der Elfenbeinküste, feiert den 5:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Guinea im Viertelfinale des Afrikacups im Februar 2008. Bild: dpa

Otto Pfister glaubt, der Weltfußball stehe erst am Anfang einer Entwicklung. "Schauen Sie doch auf die Leichtathletik, dort werden die meisten Disziplinen längst von Sportlern aus exotischen Ländern dominiert, die oft afrikanische Vorfahren haben", sagt der weit gereiste Trainer. Pfister spricht von "Talent", von "Dynamik" und "technischen Fähigkeiten", Fußballer mit afrikanischen Wurzeln verfügten einfach über günstigere körperliche Voraussetzungen, meint der 71-Jährige.

In der Champions League, wo immer mehr Spitzenklubs die Schlüsselpositionen mit Afrikanern besetzen, sei diese Tendenz ebenso erkennbar wie an den jüngsten Ergebnissen der WM-Qualifikation. Besonders der Westen des Schwarzen Kontinents dominierte wie nie.

Mit Nigeria, Kamerun, der Elfenbeinküste und Ghana haben sich vier Nationen aus dieser Region für das Weltturnier 2010 qualifiziert, während der einst so mächtige Norden nur durch den Sieger des Entscheidungsspiels zwischen Ägypten und Algerien vertreten wird.

Viele Jahre profitierte Nordafrika von seinem größeren Wohlstand, von professionelleren Sportsystemen, der Vorteil hat sich jetzt allerdings in einen Nachteil verwandelt. Viele Spieler aus Ägypten und den Maghreb-Nationen verweilen lange bei ihren Heimatklubs, wo sich ein bequemes Leben führen lässt, wohingegen die westafrikanischen Talente immer früher in den Ausbildungssystemen europäischer Großklubs landen.

Inzwischen ist ein Stadium erreicht, in dem das in Europa erworbene Know-how in die Nationalteams zurücktransferiert wird. Stars wie Didier Drogba (Elfenbeinküste), Samuel Etoo (Kamerun) oder Michael Essien (Ghana) mischen sich ein, diese Leute sind in der Heimat oft mächtiger als ihre Trainer, "sie wollen in der Nationalmannschaft unter halbwegs professionellen Bedingungen arbeiten", meint Pfister.

Zumindest einige der oftmals völlig chaotisch organisierten Verbände geben diesem Druck nach. Kein Repräsentant Afrikas fährt zur WM, weil die Favoriten, wie vor vier Jahren mit dem Team Nigerias geschehen, in der Qualifikation im Chaos versanken, erstmals nehmen tatsächlich die afrikanischen Mannschaften mit den besten Spielern am Weltturnier teil.

Diese Einschätzung teilt auch Guy Demel. "Gute Fußballer gab es bei uns schon immer", sagt der ivorische Defensivspezialist vom Hamburger SV, "aber ab einem bestimmten Niveau werden Kleinigkeiten immer wichtiger." Man brauche Physiotherapeuten, ein gutes Hotel, und eine vernünftige Trainingsanlage, all das habe sich zuletzt erheblich verbessert.

Auf dieser Basis kann sich das fantastische fußballerische Potenzial entfalten, Samuel Etoo glaubt gar, die westafrikanischen Nationen seien mittlerweile in der Lage, den WM-Titel zu gewinnen. "Wir haben gelernt, dass Fußball mehr ist als die 90 Minuten auf dem Rasen", sagt der Stürmer, der in diesem Sommer vom FC Barcelona zu Inter Mailand wechselte. "Alles muss bis ins Detail stimmen, wenn man erfolgreich sein will. Wir haben das schmerzhaft lernen müssen, es hat ja früher großes Chaos in afrikanischen Teams gegeben. Damit ist es vorbei."

Das hört sich gut an und mag stimmen, wenn es um Dinge wie Logistik, Organisation und Betreuung geht. Doch Machtkämpfe in den Verbänden und unberechenbare Personalentscheidungen gehören weiterhin zum afrikanischen Fußball wie die Trommelrhythmen auf den Tribünen. So kündigte Pfister im Mai seinen Job als Trainer Kameruns, weil die Funktionäre hinter seinem Rücken die Assistenztrainer entließen. Problematisch bleibt außerdem der Afrika-Cup im Januar, der bisweilen eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Spieler kehren ausgezehrt nach Europa zurück, und nicht selten werden erfolgreiche Trainer entlassen, weil völlig überzogene Ziele verpasst wurden.

Demel hofft, dass der Elfenbeinküste ein solches Schicksal erspart bleibt, obwohl die Menschen in seiner Heimat nichts anderes erwarten als den Titel beim Afrika-Cup in Angola. "Ein Trainerwechsel fünf Monate vor der WM wäre wirklich chaotisch", sagt er. Doch wenn alles ruhig bleibt und die Mannschaft die richtige Haltung findet, dann könnte die Elfenbeinküste im kommenden Sommer tatsächlich zur Weltklasse aufschließen.

Auf Klubebene haben die ivorischen Spieler das nämlich längst geschafft. Im Champions-League-Halbfinale der vorigen Saison standen mit Mit Yaya Touré (FC Barcelona), Didier Drogba, Salomon Kalou (beide FC Chelsea), Kolo Touré und Emanuel Eboué (damals beide FC Arsenal) fünf Spieler von der Elfenbeinküste. Außerdem zeigen sich Leute wie Bakary Koné (Olympique Marseille), Ndri Romaric, Didier Zokora, Arouna Kone (alle FC Sevilla) oder Artur Boka (VfB Stuttgart) in der Königsklasse, kaum ein anderes Land der Welt ist derart massiv vertreten auf dieser allerhöchsten Ebene des Klubfußballs.

Zum Vergleich: Der einzige deutsche Spieler im Champions-League-Halbfinale 2009 war Michael Ballack.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.