Vorwurf der Folter bei Irak-Einsatz: Das Abu Ghraib der Briten

Britische Soldaten sollen zwischen 2003 und 2007 im Irak Gefangene misshandelt und vergewaltigt haben. Nach entsprechenden Berichten ermittelt nun das Verteidigungsministerium.

Britischer Soldat, mit einem Stock in der Hand, neben einem irakischen Zivilisten. Bild: dpa

Das Bild vom tadellosen britischen Soldaten, der im Gegensatz zu seinem US-Kollegen fair mit Gefangenen umgeht, bröckelt immer mehr. Phil Shiner, der Anwalt ehemaliger irakischer Gefangener, erhob am Wochenende schwere Vorwürfe gegen die britische Armee im Irak. Die Vorwürfe lauten: Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen und Elektroschock. Nachdem die Zeitung Independent über 33 Misshandlungsfälle berichtete, nahm das Verteidigungsministerium Untersuchungen auf.

Shiner glaubt, die Soldaten und Soldatinnen hätten sich an Fotos aus dem US-Gefängnis Abu Ghraib orientiert. So seien Gefangene aufeinander gestapelt und dann mit Elektroschocks gefoltert worden. "Die Anschuldigungen werfen Fragen nach geheimen Absprachen zwischen Großbritannien und den USA bei der Misshandlung von Gefangenen auf", sagte er. "Wenn man die britische Beteiligung an der Entwicklung dieser Techniken betrachtet, dann ist es sehr verstörend, dass es starke Übereinstimmungen bei den Fällen sexueller Erniedrigung zu geben scheint."

Das meint auch der irakische Menschenrechtsaktivist Mazin Younis, der die Fälle zusammengetragen hat. "Wir waren ziemlich schockiert, als wir auf ein ähnliches Muster wie in Abu Ghraib stießen, wo ebenfalls sexuelle Erniedrigung angewandt wurde - etwa das Abspielen von Pornofilmen in den Korridoren, besonders zu Gebetszeiten." Zudem sollen sich Soldatinnen vor den Gefangenen in der Dusche entblößt oder Geschlechtsverkehr gehabt haben.

Der 35-jährige Hussain Hashim Khinyab, der im April 2006 verhaftet wurde, berichtet, man habe ihm im Lager Shaibah eine Überdosis Medizin verabreicht, die ihn fast umgebracht hätte. Als er im Krankenhaus lag, habe sich eine Armee-Krankenpflegerin, die lediglich als "K" bekannt ist, ausgezogen und versucht, ihn zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Die Pflegerin sei wegen der Überdosis später versetzt worden.

Ein 18-Jähriger, der im Camp Breadbasket (Lager Brotkorb) arbeitete, behauptet, er sei von Soldaten vergewaltigt und verstümmelt worden. Er habe danach einen Selbstmordversuch unternommen. Die schwersten Anschuldigungen kommen von einem damals 16-Jährigen: Er sagt, er sei im Mai 2003 von einem Soldaten in einen Raum geschoben worden. Dort sei er von drei Soldaten geschlagen und vergewaltigt worden. Dass die Anschuldigen erst jetzt erhoben werden, liege an der Angst der Opfer: "Sie befürchteten, erneut bestraft zu werden, falls sie redeten", sagte Shiner. "Erst nach dem Rückzug der Truppen aus Basra im Sommer trauen sie sich, darüber zu sprechen. Wenn du Iraker bist, und dir sind furchtbare Dinge angetan worden, wie kannst du dann wissen, dass es in unserem Land ein Rechtssystem gibt, das sich um solche Fälle kümmert?"

Bill Rammell, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, lehnt eine öffentliche Untersuchung des Verhaltens britischer Truppen im Irak jedoch ab. "Es gibt keinen Beweis, dass die Misshandlungen innerhalb der Streitkräfte endemisch sind", sagte er am Wochenende. "Mehr als 120.000 Soldaten waren im Irak stationiert, und die überwältigende Mehrheit hat sich tadellos benommen. Lediglich eine winzige Zahl von Individuen ist unseren hohen Ansprüchen nicht gerecht geworden."

Wie Donald Payne. Der 36-jährige ehemalige Unteroffizier wurde 2007 als erster britischer Soldat wegen Kriegsverbrechen im Irak zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Er war an der Misshandlung des 26-jährigen Hotelangestellten Baha Mousa beteiligt, der 2003 in Basra verhaftet worden war. Wenige Tage später war Mousa tot. Die Autopsie stellte 93 Verletzungen fest. Sein Vater, Daoud Mousa, Oberst bei der Polizei von Basra, sagte: "Als ich die Leiche meines Sohnes sah, brach ich in Tränen aus. Seine Nase war gebrochen, Blut lief ihm aus Nase und Mund. Die Haut auf einer Seite seines Gesichts war weggerissen, auf seiner Stirn und unter seinen Augen fehlte die Haut ebenfalls."

Payne wurde zum Sündenbock, während die anderen beteiligten Soldaten bis heute straffrei geblieben sind. Heute sagt Payne jedoch vor dem Untersuchungsausschuss aus. Für das Verteidigungsministerium dürfte es damit unbequemer werden.

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