Kommentar Italien: Kurzer Prozess mit der Justiz

Mit dem Gesetz zum "kurzen Prozess" macht Berlusconi kurzen Prozess mit der Justiz Italiens.

Völlig ungeniert geht Italiens Rechtskoalition mittlerweile vor, wenn es darum geht, ihrem Chef den Hals zu retten. Justizpolitiker, die eher an Hütchenspieler erinnern, schieben die Paragrafen so lange hin und her, bis sie passen.

So ungeniert ist Italiens Rechte, dass sie gar nicht mehr das Motiv verschweigt, warum sie gerade jetzt auf ein neues Gesetz zur "Verkürzung der Prozesse" drängt. Es geht um genau zwei Prozesse gegen exakt einen Angeklagten namens Silvio B., die um jeden Preis aus der Welt müssen.

"Notwehr" sei das, argumentieren Berlusconis Vasallen in Medien und Politik - gegen eine "politisierte Justiz", die mit ihren angeblich schikanösen Ermittlungen "das Wählervotum umstoßen" wolle, ja gar einen "Justizputsch" plane. Berlusconis Wähler, immerhin die Mehrheit der Italiener, nehmen diese Begründung für den erneuten Versuch der Rechtsbeugung als ganz selbstverständlich hin.

Dass das geplante Gesetz womöglich am Einspruch des Staatspräsidenten scheitert - wie schon die diversen Immunitätsgesetze vor dem Verfassungsgericht durchfielen -, macht am Ende gar nichts. Alleine dadurch, dass sie unverdrossen weiterspielen, erreichen Berlusconis Hütchenspieler das gewünschte Ergebnis. Mit immer neuen "Justiz"-Gesetzen, die bloß die anhängigen Verfahren verhindern sollen, zögern sie die Prozesse gegen ihren Chef systematisch hinaus.

Ginge es Berlusconi und den Seinen wirklich darum, die Dauer der Prozesse auf ein erträgliches Maß zu kürzen, dann würden sie die Gerichte materiell besser ausstatten - oft fehlt dort sogar das Kopierpapier. Dann würden sie die Normen zur Verjährung von Straftaten radikal reformieren. Doch es ist völlig verfehlt, Berlusconi vorzuhalten, dass er Italiens Justiz damit schadet. Ebendies will er ja gerade: Mit dem Gesetz zum "kurzen Prozess" macht er kurzen Prozess mit der Justiz.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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