Skandinavier fühlen sich am sichersten: Gute Sozialpolitik reduziert Kriminalitätsfurcht

Eine Studie hat ergeben, dass sich Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung kriminalpolitisch lohnen. In Wohlfahrtsstaaten ist die Angst vor Überfällen deutlich geringer.

Nicht nur an Halloween: Viele Leute haben Angst vor Gewalt und im Dunkeln auf der Straße. Bild: ap

FREIBURG taz | Die Höhe und Art staatlicher Wohlfahrtsleistungen dürften Auswirkungen auf die Angst vor Kriminalität in der Bevölkerung haben. Das hat eine Studie der Soziologin Dina Hummelsheim vom Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht (MPI) ergeben.

Dass subjektive Kriminalitätsfurcht wenig mit dem objektiven Kriminalitätsrisiko zu tun hat, ist in der kriminologischen Forschung längst anerkannt. Während vor allem alte Menschen Angst vor Gewalt haben, sind in Wirklichkeit junge Männer am meisten gefährdet. Das MPI untersucht deshalb die Kriminalitätsfurcht als eigenständiges Phänomen und lud jetzt zu einer Tagung über "Sicherheitswahrnehmungen".

Dort stellte Hummelsheim ihre vergleichende Studie vor, in die sie Daten aus 23 EU-Staaten einfließen ließ. Danach ist die Kriminalitätsfurcht in den skandinavischen Staaten am geringsten. Nur 10 bis 20 Prozent der Befragten fühlen sich unsicher, wenn sie sich nach Einbruch der Dunkelheit in ihrer Wohngegend bewegen. In den kontinentaleuropäischen Staaten - von Portugal bis Deutschland - lag der Anteil zwischen 15 und 30 Prozent, also schon deutlich höher. Am verbreitetsten war die Kriminalitätsfurcht mit 30 bis 40 Prozent in Irland, Großbritannien und Osteuropa.

Für Hummelsheim ergibt sich ein klarer Zusammenhang: Im skandinavischen Wohlfahrtsstaat ist die Kriminalitätsfurcht spürbar geringer als in den angelsächsischen Ländern mit ihren eher niedrigen Sozialausgaben. Osteuropa blieb wegen der umbruchbedingten Unsicherheit beim Vergleich quasi außer Konkurrenz.

Doch nach Hummelsheims Untersuchungen kommt es nicht nur auf die Höhe, sondern auch auf die Art der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen an. Besonders positiv schien ihr die Wirkung von Programmen, die die individuellen Fähigkeiten stärken, etwa Ausgaben für Bildung und frühkindliche Kinderbetreuung.

Die These der Soziologin: Investitionen in frühe Bildung unterstützen bei Kindern die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten, die es später erleichtern, mit Kriminalitätsrisiken und -erfahrungen umzugehen. Investitionen in frühe Betreuung erhöhen wiederum die Erwerbsmöglichkeiten der Eltern, die so eher das Gefühl haben, ihr Leben selbst zu meistern. All das führe auch zu einer Reduzierung der Kriminalitätsfurcht, sogar noch im hohen Alter, also Jahrzehnte nach der staatlichen Investition.

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