Michael-Jackson-Doku "This is it": Ein Arsch voll Bass

Posthum erscheint die Dokumentation "This is it" über die Proben von Michael Jacksons Abschiedstournee. Zu sehen gibts nur wenig Überraschendes.

Sofort in den Film: Besucher kaufen in Berlin Karten für "This is it". Bild: dpa

Von wegen "Discover the man you never knew", wie es in der Unterzeile heißt. Jenen Michael Jackson, der in der Probendokumentation für seine Abschiedstournee "This is it" seine kurzen und scharfen Moves punktgenau setzt, sich im Timing auf der Hacke dreht, seine Knie revolvieren lässt und dazu mit dem bekannten, quirligen, erwachsenen Kindertimbre "But the kid is not my son!" ruft, den kennt man.

Die dokumentarischen Bilder, ursprünglich aufgenommen für einen Entstehungsfilm à la "Elvis Presley - Thats the way it is", unterscheiden sich von offiziellen, glamourösen, bearbeiteten Videoclipbildern nur in Nuancen. Schließlich wollte man "MJ" ein Denkmal setzen. Doch es sind genau diese zarten Nuancen, von denen man nicht weiß, inwiefern sie beabsichtigt waren, die den Film spannend machen.

Die Lightshow fehlt, die hässlichen Probenoutfits definieren seinen dünnen Körper im gleichmäßigen Bühnenlicht. Der Mann ist 50 und Psychopath, das sieht man nicht an seiner stets (in allen Bildern, die es in die Doku geschafft haben) tadellosen Tanzperformance.

Man sieht es an den Unterschieden zu den anderen, muskelbepolsterten und in modernen, lässigen Baggy Trousers glänzenden Tänzern, man sieht es in Jacksons Verhalten, der bar jeglicher Ironie und ohne die typische US-amerikanische Coolness, ohne Joking-Around mit Kollegen eine bitterernste, offensichtlich manische Arbeitsmoral an den Tag legt.

Gebrochen wird diese heilige MJ-Attitüde voller in Richtung Crew gehauchter "God bless you" und "I love you" nur an zwei Stellen. Jacksons musikalischer Leiter Michael Bearden, der plötzlich selbstbewussten Humor zeigt, stößt bei Jackson auf Unverständnis. Beim Erarbeiten des Anfangs von "The way you make me feel" erklärt Bearden mit seinem präzisen Rhythmusempfinden die Akkordwechsel und sagt: "Und dann kriegst du einen Arsch voll Bass!", worauf MJ verschämt wie ein kleines Klostermädchen kichert und wiederholt: "Das ist lustig! Ein Arsch voll Bass!", als ob ausgerechnet das niedliche, dem Black Slang entlehnte Wort "Booty" das Schmutzigste wäre, was seine Prinzessinnenöhrchen je vernommen haben.

An anderer Stelle bittet der salbungs- und bis zur Unterwürfigkeit respektvolle Regisseur MJ darum, die Hebebühne auszuprobieren, und Jackson will gleich Musik zum ersten Herumfahren haben. "Wirklich, gleich mit Musik?", wiederholt der Regisseur ungläubig. Bearden, dessen Mikro ebenfalls an ist, kommentiert trocken: "Daredevil Michael Jackson", und Jackson versucht eine Replik: "Du kennst mich, ich will immer höher hinauf", sagt er, ein lahmer Witz, aber das Team lacht befreit, viel zu lachen wird es dort sonst nicht gegeben haben. Stattdessen Arbeit, Disziplin und Achtung für das rohe Ei von Superstar.

Wie geziert, wie weiblich MJs Körpersprache ist, wenn sie nicht an den passenden Stellen geschnitten wird, das löst ebenfalls ein Aha-Effekt aus, den der Film, unfreiwillig vermutlich, evoziert. Mit seinem Klaus-Nomi-artigen, schultergepolsterten Jackett macht er beim Duett mit einer Backgroundsängerin geradezu feenartige Bewegungen. Auch bei einem der aufwendigen, grauenhaft kitschigen neuen Videoclips, in dem Jackson in Schwarz-Weiß und Anzug per Computertrick begehrlich Rita Hayworth Performance von "Put the Blame on Me" anschaut, ist klar: Er will Gilda (also Rita) nicht haben, er will sie sein!

Jackson versucht nicht einmal, persönlich zu sein. Er, der immer beklagte, man solle ihn als Person, nicht als Persönlichkeit sehen, hatte seine Person längst komplett aus seinem Leben gedrängt, mit Drogen, Traumata, der künstlichen Welt. Genau das wollte der Film nicht zeigen, hat es aber getan.

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