Sammelklage: Sieg für die Gasrebellen

Hamburger Landgericht erklärt Gaspreis-Erhöhungen der letzten Jahre von Eon Hanse für unwirksam. Darüber, wie das Urteil zu bewerten sei, gehen die Meinungen von Verbraucherzentrale und Eon auseinander

Bei den "Preisanpassungsklauseln" von Eon hilft nicht einmal ganz genaues Hinschauen - sie sind einfach intransparent. Bild: DPA

Heidemarie Thiele war nicht überrascht: "Es war schon klar, wie das ausgehen würde", sagte die Hamburgerin, die mit 52 anderen Gaskunden gegen die Firma Eon Hanse Vertrieb geklagt und jetzt in erster Instanz Erfolg gehabt hat. Thiele und Co. hatten sich seit dem 1. Oktober 2004 geweigert, die Preiserhöhungen des Gasversorgers mitzumachen und stattdessen den alten Preis weitergezahlt. Sie unterstellen Eon, die Preise ungerechtfertigterweise angehoben zu haben. Das Hamburger Landgericht gab ihnen Recht.

Der Hintergrund des Rechtsstreits reicht zurück in eine Zeit, als die Leute vor allem mit Öl heizten und Gas nur eine Nebenrolle spielte. Die ehemals staatlichen Versorger koppelten die Preise des kleinen, nur bedingt funktionierenden Gasmarktes an die des viel größeren Erdölmarktes. Seither folgen die Gaspreise in halbjährlichem Abstand den Ölpreisen.

Das sollten sie zumindest. Die Verbraucherzentralen und das Bundeskartellamt vermuten aber, dass die Versorger die Preise vor allem nach oben anpassen. Nur auf Druck der Kartellwächter haben sechs regionale Versorger vor einem Jahr die Preise gesenkt. Im April legte die grüne Bundestagsfraktion eine Studie vor, nach der die Versorger vom Ölpreisrückgang nur die Hälfte an die Verbraucher weitergaben.

In verschiedenen Städten klagen Verbraucher mit Unterstützung der Verbraucherzentralen gegen die Gaspreiserhöhungen der vergangenen Jahre.

Die Verfahren sind unterschiedlich weit fortgeschritten. Eine Sammelklage von 60 BremerInnen wird am heutigen Mittwoch vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. Im Hamburger Verfahren will Eon Berufung beim Oberlandesgericht einlegen.

Nicht nur die Kläger, sondern auch viele andere haben sich gewehrt - entweder indem sie die geforderten Preisaufschläge einbehielten oder diese nur unter Vorbehalt zahlten.

Um dem Treiben ein Ende zu bereiten, warben die Verbraucherzentralen unter der Gas-Kundschaft darum, sich an Sammelklagen gegen die Preiserhöhungen zu beteiligen. "Sie würden in unsere Musterklage passen", sei ihr gesagt worden, als sie sich bei der Verbraucherzentrale wegen ihrer Gasrechnung beraten ließ, erzählt Heidemarie Thiele. Als politisch interessierter Mensch habe sie mitgemacht.

Die Klagen zielten darauf ab, die "Billigkeit" der Preiserhöhungen in Frage zu stellen: Die Versorger sollten nachweisen, dass die Aufschläge angemessen waren und ihre Kalkulation offenlegen. Eon Hanse tat das, allerdings nicht in einer Weise, die die Verbraucherzentrale Hamburg befriedigend fand.

Doch die Billigkeit hat das Landgericht wie andere Gerichte erst gar nicht geprüft. Es stellte fest, dass die Preisänderungsklausel in den Eon-Verträgen zu unscharf gefasst sei. Sie sei undurchsichtig und benachteilige die Verbraucher derart, dass sie hinfällig sei.

Ähnlich argumentierten die Gerichte im Falle einer Sammelklage gegen den Bremer Gasversorger SWB. "Es kommt darauf an, ob der Verbraucher durch die Preisänderungsklausel nachvollziehen kann, wie sich der Gaspreis entwickelt", sagt Irmgard Czarnecki von der Verbraucherzentrale Bremen. Am heutigen Mittwoch verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall.

SWB und Eon reagierten auf die Urteile mit dem Hinweis, das Gericht habe sich auf die Erörterung eines "formalen Aspekts" beschränkt und die Kernfrage der tatsächlichen Preisgestaltung außer Acht gelassen. "Unsere Preise waren und sind angemessen", behauptet der Versorger. Allein in diesem Jahr habe sein Unternehmen dreimal die Preise gesenkt, sagt Carsten Thomsen-Bendixen, Sprecher von Eon Hanse Vertrieb.

Mit Blick auf den Bremer Fall sagt Thomsen-Bendixen, wie in anderen Verfahren entschieden wurde, sei nicht von Belang. Jedes Unternehmen verwende andere Preisanpassungsklauseln.

Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg sieht das anders: Es habe schon eine Reihe ähnlicher Urteile gegeben, weshalb sich diese Klauseln nicht mehr halten ließen. "Das wird den Gasmarkt in Bewegung bringen", glaubt er. Denn wenn neue Verträge geschlossen werden müssten, stoße das die Kunden auf die Möglichkeit, den Versorger zu wechseln. Klägerin Thiele hofft, dass sich ihr Engagement auch für andere Gas-Kunden lohnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.