Verfahren gegen Karadzic: "Wir spüren jeden Tag Karadzic' Politik"

Hatidza Mehmedovic hat Mann und Söhne beim Massaker von Srebrenica verloren. Sie will den Prozessbeginn in Den Haag erleben, auch wenn Karadzic ddm Gericht fernbleibt.

Eine bosnische Muslimin trauert über einem der Särge in der Potocari-Gedenkstätte in Srebrenica. Bild: dpa

Hatidza Mehmedovic strahlt eine natürliche Würde und Entschlossenheit aus. Die Haare trägt sie streng nach hinten gebunden. Die 57-jährige Präsidentin der "Mütter von Srebrenica" ist in der bosniakischen Bevölkerung sehr beliebt, von ihren Gegnern wird sie wegen ihrer unerbittlichen Fragen gefürchtet. Am Wochenende ist sie mit 160 Mitstreiterinnen zum Auftakt des Karadzic-Prozesses nach Den Haag gereist.

Früher war Hatidza Mehmedovic eine ganz "einfache und unscheinbare Hausfrau", wie sie selbst bemerkt. Sie war verheiratet, bekam zwei Söhne und bewohnte mit ihrer Familie ein schmuckes Haus oberhalb der "Silberstadt". Die über drei Jahre dauernde Belagerung in den Jahren 1992 bis 1995 mit dem ständigen Granatbeschuss blieben sie dort. Als sie am 11. Juli 1995 nach Potocari in das UN-Lager fliehen mussten, hofften sie noch zu überleben. Doch dann ließ General Ratko Mladic Frauen und Kinder trennen, die UN-Soldaten unternahmen nichts. "Meine 18- und 20- jährigen Söhne wurden mit dem Vater den Männern zugeteilt, wie meine Brüder und andere Verwandte. Keiner hat überlebt."

2002 kam Hatizda Mehmedovic nach Srebrenica zurück. Eine Hilfsorganisation half ihr, die Ruine ihres Hauses wiederaufzubauen. Sie versucht sachlich zu sein und die schmerzliche Erinnerung zu überspielen. Als Vertreterin der Gesellschaft für bedrohte Völker vor Ort hat sie Spenden von rund 250.000 Euro an Frauen mit ähnlichem Schicksal verteilt: in Form von lebendem Vieh und landwirtschaftlichen Geräten. "Von den Millionen, die angeblich nach Srebrenica geflossen sind, haben die wirklich betroffenen rund 1.000 festen Rückkehrerinnen fast nichts abbekommen", sagt Hatidza Mehmedovic etwas resigniert.

3.000 bis 4.000 andere Rückkehrer leben nur im Sommer hier, sie haben ihre Häuser wiederaufgebaut, sind aber in der bosniakisch-kroatischen Föderation und nicht in der Republika Srpska angemeldet, um krankenversichert zu bleiben. Die serbische Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina verwehre den bosniakischen Rückkehrerinnen die medizinische Versorgung, berichtet Mehmedovic, sie zahle auch keine Renten, und die Kinder gingen zwar hier in die Grundschule, doch für die weiterführenden Schulen müssten sie nach Sarajevo oder Tuzla in der bosniakisch-kroatischen Föderation.

Alles in Srebrenica sei noch immer von der Politik Radovan Karadzic geprägt, sagt Hatizda Mehmedovic. Er habe es geschafft, Bosnien zu teilen und einen serbischen Herrschaftsbereich zu errichten. So seien die meisten Polizisten in Srebrenica nach wie vor Serben, "die, man stelle sich das vor, damals bei den Massakern mitgemacht haben". Rechtsradikale Tschetniks zögen manchmal durch Srebrenica, mit Karadzic- und Mladic-Bildern auf den T-Shirtst. "Diese Leute bedauern nichts."

Auch die internationale Gemeinschaft bestraft nach ihren Worten immer noch die Überlebenden von Srebrenica. "Um nach Den Haag zu gelangen, brauchen wir Frauen nämlich ein Visum." Insgesamt sechs Monate habe jetzt die Prozedur gedauert, um eine Reisegenehmigung für den Prozessbeginn zu bekommen, erklärt Hatidza. Erst mussten Leute in den Niederlanden gefunden werden, die für sie und ihre Mitstreiterinnen Einladungen und Garantie-Erklärungen abgaben. Und als dies geschafft war, musste sie mehrmals bei der niederländischen Botschaft vorsprechen, Formulare abholen, Urkunden und polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Dies alles bedeutet Mühe, Stress, abgesehen von den hohen Kosten, die einige Rückehrerinnen nur über Spenden aufbringen konnten. "Aber jetzt fahren wir, auch wenn Karadzic nicht vor Gericht erscheint."

Die Frauen werden Zeugnis vor dem Gerichtsgebäude in Den Haag ablegen. "Wir sind da, wir haben überlebt, wir klagen an." Die Vergangenheit können sie nicht ungeschehen machen. "Aber unser Leben bleibt im Gegensatz zu dem vieler Täter für immer mit ihr verbunden."

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