Grüne über die Linkspartei: "Wir brauchen eine Debatte"

Ostdeutsche Spitzengrüne fordern, dass die Grünen sich eingehender mit der Truppe von Oskar Lafontaine beschäftigen. Schwarz-Weiß-Malerei werde der Partei nicht gerecht.

Vorbereitung in Rostock zum Grünen Parteitag: Während einige Grüne die Linke anhimmeln, fordern andere eine ernsthafte Debatte. Bild: dpa

Ostdeustche Spitzengrüne haben eine Diskussion über den Umgang mit der Linken gefordert. "Wir müssen diese Auseinandersetzung führen", sagte der Brandenburger Partei- und Fraktionschef Axel Vogel der taz. Und auch die sächsische Fraktionschefin Antje Hermenau sagt: "Wir brauchen eine Debatte über das Thema, wie auch die SPD eine braucht."

Insbesondere die West-Grünen müssen sich nach Ansicht von Hermenau "die Ost-Linken einmal genauer ansehen", die noch immer die Mehrheit der Linkspartei ausmachen. "Bisher kennen die West-Grünen mehrheitlich genau zwei Haltungen: Verachtung oder kritikloses Anhimmeln", sagt Hermenau. "Die erste Fraktion hält die Linken allesamt für ehemalige Stasi-Mitarbeiter, die zweite hält Rot-rot-grün für die einzig geziemende Machtperspektive und will sich dabei durch nichts Störendes beirren lassen."

Vogel ärgert sich darüber, "dass Rot-rot-grün für viele offenbar schon beschlossene Sache ist, und nur vom Diskussionsstand in der SPD abhängt. Dem ist nicht so." Für die Grünen sei diese Konstellation keinesfalls beschlossene Sache und müsse von Fall zu Fall überlegt werden.

Am Wochenende diskutieren die Grünen auf ihrem Parteitag, wo sie als Partei stehen: Links oder quer zu den Lagern. Ein Antrag aller Landesfraktionschefs der Grünen fordert das Überwinden des Lagerdenkens und die Möglichkeit Bündnisse mit CDU und FDP auch außerhalb des Saarlands schließen zu können. Damit wollen sie sich angesichts der anhaltenden Selbstdemontage der SPD andere Machtoptionen offen halten.

Die linken Grünen kritisieren das und drängen umso stärker darauf, Rot-rot-grün als Ziel für 2013 zu markieren. Lange galt allein das verkrampfte Verhalten der Sozialdemokraten zu den Linken als Hindernis für ein solches Bündnis. Doch allein die Geschehnisse der letzten Wochen zeigen, dass viele Grüne mit der SED-Nachfolgepartei ein Problem haben.

So sprach die Spitzengrüne Renate Künast im Wahlkampf den Spitzen-Linken Oskar Lafontaine und Bodo Ramelow wegen ihrer "Persönlichkeiten" das Recht ab, Ministerpräsidenten zu werden. Vor einer Woche versuchte sich ein Mitarbeiter der grünen Bundestagfraktion per Fragebogen in Linken-Spionage. Dann monierte die grüne Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, dass die Linke in Brandeburg künftig mitregieren wird und stellte per Pressemitteilung öffentlich einen Mitarbeiter bloß, der das anders sieht.

Fragt man einen gestanden Vertreter des Realo-Flügels wie den Baden-Württemberger Fraktionschef Winfried Kretschmann, schlackern einem bei der Antwort die Ohren: "Die haben keine eigenen, neuen Ideen, wie wir sie vor 30 Jahren hatten", sagt Kretschmann und dass die Linke lediglich "die Fundiausgabe der Sozialdemokratie, eine radikalisierte Variante der SPD" sei. "Die haben nichts Eigenständiges beizutragen", grollt Kretschmann weiter, "so eine Partei ist nicht notwendig."

Da schimmert schon etwas von der Verachtung durch, von der Hermenau spricht. Gerade bei den Älteren in der Partei "gibt es sicherlich öfter eine ideologische Verhärtung", sagt auch Max Löffler, Sprecher der Grünen Jugend. Grund dafür seien "zu Recht auch die Stasi-Vergangenheit einiger Mitglieder der Linkspartei." Außerdem habe die Linke als Opposition von den Grünen Dinge fordern können, die diese in der Regierungsverantwortung nicht umsetzen konnten: Sofortiger Abzug aus Afghanistan und das Abschaffen von Hartz IV. "Dass die Grünen dann auch noch von der Linkspartei als Kriegstreiber bezeichnet werden", sagt Löffler, "das hat sicherlich einigen wehgetan."

Der Grund für das teilweise giftige Klima zwischen beiden Parteien ist aber auch der wachsende Erfolg der Linken im Westen und ein unterschiedliches kulturelles Milieu. "Über 80 Prozent unserer Mitglieder sitzen im Westen", sagt der Brandenburger Axel Vogel, "die haben die Linke bisher gar nicht oder als Ost-Phänomen wahrgenommen." Dementsprechend einseitig seien nun manche Reaktionen auf das Erstarken der Lafontaine-Truppe.

"Außerdem haben viele Linke und Anhänger der Partei ein autoritäres Verständnis von Staat und Gesellschaft", sagt Hermenau, " das muss mit den Vorstellungen des typischen individualistischen, libertären West-Grünen in jedem Fall kollidieren."

Die beiden Fraktionschefs wollen, dass ihre Partei das Verhältnis zu den Linken entspannt und dann mit ihr zusammenarbeitet, wenn das für die Grünen von Vorteil sei. "Eine Schwarz-Weiß-Perspektive wird der Linkspartei nicht gerecht", sagt Hermenau "Natürlich gibt es dort noch jede Menge alter Zausel aus DDR-Zeiten, welche ihre SED- und Stasi-Vergangenheit noch nicht hinter sich gelassen haben." Andererseits sei die Linken im Osten eine von zwei sozialdemokratischen Volksparteien und mache sehr pragmatische Politik.

Es gebe Berührungspunkte bei Bildungsthemen wie dem gemeinsamen längeren Lernen, meint Axel Vogel, oder im Kampf gegen Rechtsextremismus. "Gleichzeitig steht die Linke aber auch für große Strukturen, für Industriebetriebe wie Vattenfall, da ist sie ganz bei der SPD", sagt der Brandenburger, "und das ist alles andere als grün." Deshalb müsse man in Verhandlungen mit der Linken ebenso hart verhandeln wie mit anderen Parteien auch. Einen "Bonus des gemeinsam gefühlten Linksseins" dürfe es nicht geben.

Wie ein solcher Umgang aussehen kann, haben die Sondierungsgespräche in Thüringen gezeigt. Dort habe die Linke wegen des selbstbewussten Auftretens der Grünen eine Frau mit Stasivergangenheit von den Verhandlungen abgezogen, sagt Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke."Und Bodo Ramelow hat sich darauf eingelassen, in einer Erklärung die DDR als Unrechtsstaat zu bewerten." Zudem würde den Grünen auch durch personelle Veränderungen das Zusammenarbeiten mit der Linken leichter fallen, glaubt Lemke: "Offenbar scheinen die Tage von Oskar Lafontaine in der Linkspartei auch gezählt. Da bewegt sich einiges." Wohin genau müsse man allerdings kritisch und genau beobachten.

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