Günter Wallraffs Erfahrung als Schwarzer: "Schwarz auf weiß"

Ob bei den Fußballfans in Cottbus, einer Wandergruppe in Gummersbach oder einfach irgendwo auf der Straße - Wallraff sucht in "Schwarz auf weiß" die Gesellschaft, die ihn nicht will.

Ablehnung in Bildern grenzenloser Einsamkeit dokumentiert: Günter Wallraff als Somalier Kwami Ogonno. Bild: xverleih

Während sich Günter Wallraff in den Somalier Kwami Ogonno verwandelt - oder besser: schwarz angesprüht wird, die Maskerade wirkt ein wenig halbherzig -, sagt er: "Jede Gesellschaft lässt sich daran messen, wie sie auf Fremde reagiert." Das ist die Prämisse, von der ausgehend der notorische Selbstdarstellerundercoveraufklärer über ein Jahr durch Deutschland reisen will. Wallraff und dem Zuschauer ist zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass die Bilanz seiner Reise als Afroperückenträger nur verheerend ausgefallen sein kann - sonst würde ein Wallraff gar nicht erst losziehen und "Schwarz auf weiß", sein größtenteils mit versteckter Kamera gedrehtes Reisetagebuch (zusammen mit Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger und Gerhard Schmidt), hätte es kaum ins Kino geschafft. Diese Abgeklärtheit vergeht einem allerdings schnell: Was bitte ist die Steigerung von "verheerend"?

Für die Rolle, in die der Journalist Günter Wallraff bei seiner neuesten investigativen Recherche geschlüpft ist, gibt es im angelsächsischen Kultur- und Sprachraum schon lange einen treffenden Ausdruck: Blackface.

Ebenso ist man sich seit langem im angelsächsischen Kultur- und Sprachraum darüber einig, dass, in welchem Zusammenhang und mit welcher noch so wohlmeinenden Intention auch immer, keine darstellerische Methode für einen Weißen unangebrachter ist als die, sich das Gesicht dunkel zu färben, um als Schwarzer durchzugehen. Zuletzt wurde 2008 in den USA die Komödie "Tropic Thunder" von der Kritik in den Boden gestampft, weil darin ein von Robert Downey jr. dargestellter Schauspieler chemische "Pigmentveränderungen" an sich vornimmt, um in die Rolle eines Schwarzen schlüpfen zu können. Ging gar nicht.

Seit Shakespeares "Othello" (1604) gibt es zwar den von Weißen verkörperten Schwarzen. Der Begriff selbst wie auch die kategorische Ablehnung von Blackface aber geht auf die Tradition heiter-rassistischer Revuen zurück, wie sie sich ab 1830 zur Unterhaltung eines weißen Publikums in den USA etablieren konnten. Darin gab ein meist mit Ruß oder Schuhcreme, dicken roten Lippen und wolliger Perücke maskierter Weißer den lustigen "Neger" von der drolligen Plantage. Später, noch in den Zwanzigerjahren, konnten Entertainer wie Al Jolson darauf ihre Karriere begründen. Kritisiert wurde und wird an Blackface weniger die Anverwandlung selbst - sondern der Umstand, dass Blackface meistens grotesk aussieht und auf diese Weise das rassistische Stereotyp des fremdartig "Anderen" bedient, indem es ihn karikiert.

Zum Beispiel Cottbus: Nach einem Fußballspiel mischt sich Kwami Ogonno unters ziemlich völkische Fanvolk - mit einer simplen Frage: "Wer hat gewonnen?" Er bekommt nicht eine vernünftige Antwort (zumindest hat es keine in den Film geschafft), stattdessen bietet man ihm einen Platz im Gepäckraum eines Reisebusses an oder beschreibt ihm ungefragt den Weg nach Hause und meint damit keinen Ort in Brandenburg.

Der Filmtitel "Schwarz auf weiß" pointiert Wallraffs Ansatz: Ob bei den Fußballfans in Cottbus, einer Wandergruppe in Gummersbach oder einfach irgendwo auf der Straße - Wallraff sucht permanent die Gesellschaft, die ihn nicht will, und dokumentiert deren Ablehnung in Bildern grenzenloser Einsamkeit. Doch hat er es nicht allein auf den offenen, unverhohlenen Rassismus abgesehen - beleidigen, wegsetzen, anpöbeln -, sondern auch auf den unterschwelligen, verdrucksten, der sich hinter aufgeklärt klingenden Vokabeln wie "Mentalität" verbirgt oder hinter den in Deutschland so beliebten "Vorschriften".

Um diesen unterschwelligen Rassismus zu entlarven, helfen Wallraff "Lockvögel", menschliche Katalysatoren. Als Kwami Ogonno bei einer Wohnungsbesichtigung gerade zur Tür raus ist, stehen sie als vermeintliche Wohnungsinteressenten auf der Matte und entlocken der Vermieterin all ihre Ressentiments, die sie selbst mit den Worten "ganz schwarz, ganz schlimm" bündig zusammenfasst.

Die erfreulichste und zugleich traurigste Szene in Wallraffs Nummernrevue des Hasses spielt ausgerechnet in Brandenburg: Ein Straßenbauunternehmer, bei dem Wallraff und ein schwarzer Freund vorsprechen, bietet ihnen zuerst einen Sitzplatz an und dann auch noch einen Job - für Wallraffs Freund "das schönste Erlebnis seit Monaten". So schwarz also sieht das Leben in Deutschland aus, wenn man sich nicht abschminken kann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.