KLINIKSKANDAL: Die Blutbank-Story

Ein Geschäftsfreund des wegen Betrugs verurteilten ehemaligen Bremer Krankenhaus-Geschäftsführers Andreas L. packt vor dem Bremer Amtsgericht aus.

Muammar al-Gaddafi: vor dem Bremer Amtsgericht schließt sich der Kreis. Bild: dpa

Goldie Hawn, Rudi Carrell, Angela Merkel, Saif al-Islam al-Gaddafi: Was verbindet die Schauspielerin mit dem toten Showmaster, der Kanzlerin, dem Sohn des libyschen Diktators und alle zusammen mit Scientology und dem städtischen Krankenhaus Bremen-Ost? Nichts. Außer die Geschichten des Frank W., einem 61-jährigen Leipziger, der sich als Unternehmensberater und Diplom-Journalist vorstellt.

Seit gestern muss er sich vor dem Bremer Amtsgericht verantworten. Er ist angeklagt, mit dem zu viereinhalb Jahren Haft verurteilten Bremer Krankenhaus-Betrüger Andreas L. öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Genauer soll er 71.920 Euro von L. dafür bekommen haben, dass er ihn beim Aufbau einer "Muslim-Blutbank" beriet.

Dass W. das Geld ohne Gegenleistung bekam, wie die Bremer Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, hatte 2007 der Untersuchungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft festgestellt. Der hatte aufklären sollen, wie Politik und Verwaltung derart in ihrer Kontrollfunktion versagen können, dass L., ein vorbestrafter Betrüger, als Geschäftsführer die Klinik um mehrere Millionen Euro prellen konnte. Die Masche war fast immer dieselbe: Fingierte Beraterverträge, mit denen er private Schulden beglich, bezahlt aus dem Klinik-Etat.

Anzeichen oder gar Beweise dafür, dass es sich im Falle W.s um eine Ausnahme von der Regel gehandelt habe und dessen Beratungsleistungen aus mehr bestanden als dem Kopieren von Internet-Seiten - die gab es auch gestern nicht. Stattdessen unterhielt der Angeklagte das Gericht eine Stunde lang mit Geschichten aus dem Beratungsgeschäft.

Da wäre die "Muslim-Blutbank" laut W. eine "Lizenz zum Gelddrucken". Weil Muslime sich ungern das Blut von "Ungläubigen" injizieren ließen, sei er nach Libyen gereist, um dort mit dem Sohn des "Revolutionsführers", wie er Gaddafi durchgehend nennt, über Patientenakquise zu sprechen. Der eigentliche Reise-Grund sei ein "Kunstprojekt" mit dem Gaddafi-Sohn gewesen, "ein begeisterter Kunstmaler".

L. wiederum habe er aus Leipzig gekannt und zufällig wieder getroffen, als er "im Auftrag des Focus" den Krankheitsverlauf von Carrell verfolgte, der im Klinikum-Ost behandelt wurde. Manchmal habe er das Honorar, das er von L. zum Teil in bar bekam, an eine gemeinsame Bekannte weitergegeben, der L. "sehr viel Geld" schuldete. W. berichtet, dass er einen Teil des Gelds erhielt, weil diese Frau Schulden bei ihm hatte.

Weil auch sein Anwalt merkt, wie krude das klingt, bittet er W. zu berichten, wie er mit seinen "Recherchen" dem Staat geholfen hat - und um der "Frau Richterin Vesting", wie W. sie anspricht, die komplexe Tätigkeit eines Beraters näherzubringen. W. erzählt, wie er mit "seinen Studenten" Millionenverluste der Bahn durch falsche Ausstellungen von Gutscheinen aufgedeckt hat. In diesem Zusammenhang erwähnt er, dass er mit Michael Haller, dem renommierten Leiter der Journalistik an der Universität Leipzig, eine Vortragsreihe zu investigativem Journalismus plane. Er würde dort über "Forensische Wirtschaftsrecherche" referieren. Haller weiß davon nichts und richtet aus, dass W. "zu keiner Zeit an meinem Lehrstuhl einen Lehrauftrag erhalten noch einen Vortrag durchgeführt oder geplant" hat.

Auch eine weitere von W. behauptete Verbindung in seriöse Kreise löst sich mit einem Anruf auf: Angela Merkel war mitnichten W.s "stellvertretende Pressesprecherin" beim Demokratischen Aufbruch (DA), wie er behauptet. Der CDU-Politiker Andreas Apelt, der damals die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DA geleitet hat, lacht auf. "Ich erinnere mich, dass er im Dezember 89 vier bis fünf Wochen dabei war und ein paar Texte geschrieben hat. Angela Merkel kam später." W. sei "ziemlich schnell" verschwunden - als er wegen Verdächtigungen zur Rede gestellt werden sollte.

Bleibt die Geschichte mit Scientology: W. durfte vor einem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landesparlaments erzählen, wie er herausgefunden hat, dass die Sächsische Landesbank von der Sekte unterwandert ist. Der Beweis: Eine Tochterfirma der Bank hat den Hollywood-Film "Wie werde ich ihn los - in zehn Tagen" finanziert. Goldie Hawn spielt darin zwar nicht mit, wie er gestern behauptete, aber ihre Tochter. Keine von beiden ist als Scientology-Anhängerin bekannt. Aber Hawn hatte sich mal mit anderen Stars gegen die Verfolgung von Scientologen eingesetzt. Der Prozess wird am 10. November fortgesetzt.

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