Vergangenheitsbewältigung: Kastendieks Erbe

Ex-Kultursenator Jörg Kastendiek (CDU) hat Ralf Uwe W. Versprechungen, die nicht zu halten sind. Das könnte Bremen noch ganz schön was kosten

Spazieren schärft den Blick für Diversity und macht Spaß - wenn das Geld stimmt Bild: Friedrich

Wofür genau Ralf Uwe W. Senatsrat im Kulturressort werden sollte, ist unklar. Wahrscheinlich ist nur, dass er Anspruch auf eine entsprechende Bezahlung hat, nebst anschließender Pension wohlgemerkt. Jörg Kastendiek (CDU) hat ihm das einst selbst zugesichert. Damals, kurz vor der Wahl, als er noch Kultursenator einer großen Koalition war. Und das klagt W. jetzt vor dem Verwaltungsgericht Bremen ein.

Eine adäquate Stelle für ihn gibt es nicht mehr. Das Kulturessort hat heute gut 40 MitarbeiterInnen und also nur einen Verwaltungsleiter im Range eines Senatsrates, ein Beamter, nach B3 bezahlt, mit 6.400 Euro brutto monatlichem Grundgehalt. Das reicht auch, findet die Behörde heute. Warum das unter Jörg Kastendiek anders hätte sein sollen, sagt der nicht: Schließlich gebe es eine "dem Amt nachwirkende Verschwiegenheitspflicht". Aber man kann es sich ja auch denken. Wie viele ErzieherInnen sollte beispielsweise ein Kindergarten für eine 40-köpfige Gruppe mindestens beschäftigen? Na? Eben. Kastendiek brauchte einen zweiten Senatsrat - Haushaltsnotlageland hin oder her.

Die Fakten, die der damalige Senator a. D. geschaffen hat, sind heute ein schwebendes Verfahren. Denn 2005 holte er sich Ralf Uwe W. aus Berlin. Der war damals für Bremens Bundes- und Europaangelegenheiten zuständig. Und schon wie ein Senatsrat bezahlt, auf fünf Jahre begrenzt.

Kurz vor der Bürgerschaftswahl lief diese Frist aus. Kastendiek versprach flugs weitere fünf Jahre. Das war "recht forsch", so die Sprecherin des Finanzressorts, "ein recht ungewöhnlicher Weg". An dessen Ende, so ist es in Bremen üblich, hätte wohl die Ernennung als Senatsrat auf Lebenszeit gestanden.

Das Original-Schreiben des Senators ist heute nicht mehr auffindbar, trotz groß angelegter Suchaktionen. W. besitzt aber natürlich noch eine Kopie. Und sie trägt auch die Unterschriften von Finanzstaatsrat Henning Lühr und der Ex-Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann.

Kastendieks hätte ihm den Führungsposten gar nicht versprechen dürfen, heißt es heute aus dem zuständigen Finanzressort, das wäre Sache des gesamten Senats gewesen. Und überhaupt, so das Finanzressort weiter, gibt es ja gar keine Planstelle für einen weiteren Senatsrat, eine entsprechende Ernennung ist also rechtlich ausgeschlossen. Man fühle sich an Kastendieks Zusicherung folglich nicht mehr gebunden - und geht davon aus, ohne weitere Kosten aus der Sache rauszukommen. Natürlich solle W. weiterhin "amtsangemessen" beschäftigt werden. Also nicht als Senatsrat.

Sondern als bezahlter Spaziergänger? Von wegen! W. ist für "Diversity Management" im Aus- und Fortbildungszentrum verantwortlich. Eine zukunftsträchtige Aufgabe, bezahlt wie ein Oberstudiendirektor, nach A 16, mit rund 5.800 Euro brutto monatlichem Grundgehalt. Seine Aufgabe wäre es, eine produktive Atmosphäre zu schaffen, sich für Chancengleichheit einzusetzen, dafür, das MitarbeiterInnen in all ihrer Vielfalt wertgeschätzt werden, sich ans Haus gebunden fühlen.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Kastendiek durfte jedenfalls "wirksame Willenserklärungen" abgeben, sagt das Verwaltungsgericht. Gut möglich, dass es dem 56-Jährigen deshalb Schadensersatz zuspricht. Und zwar in Höhe der Gehaltsdifferenz, von 2007 an bis hin zu seiner Pensionierung. Oder einen "Ersatz des Vertrauensschadens", wie die Juristen das nennen.

Wie hoch der wäre, ist umstritten. Praktisch null, sagt der Vertreter des Finanzressorts am Rande der Verhandlung. Genau so hoch wie der Schadensersatz, sagt dagegen W. - er habe schließlich auf des Senators persönliche Zusicherung vertrauen dürfen. Das Ressort habe sich mit seiner Verschlankung unter Rot-Grün ja selbst erst in die Lage begeben, das eigene Versprechen nicht mehr erfüllen zu können. Jetzt ruht das Verfahren für mehrere Monate. Eine gütliche Einigung wird geprüft. Außerhalb dieses Verfahrens, sagt W., "ist die Welt völlig in Ordnung".

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