Das endgültige Ende von Quelle: Pensionäre gegen Beschäftigte

Die Hausbank Valovis verweigert Quelle die zukünftige Finanzierung und gibt dem kriselnden Versandhaus den Rest. Pikant: Eigentümer der Valovis sind Exmitarbeiter von Karstadt und Quelle.

BERLIN tazBanken und Insolvenzverwalter weisen sich gegenseitig die Schuld für den gescheiterten Verkauf des einst größten deutschen Versandhauses zu. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg zufolge will die Hausbank Valovis das Versandgeschäft von Quelle nicht weiter vorfinanzieren. Das sei "die wesentliche Ursache für das Scheitern des Verkaufs". Ohne eine verbindliche Regelung für das "Factoring" wolle aber keiner der vier Kaufinteressenten Quelle übernehmen. Beim Factoring finanziert eine Bank den Rechnungsbetrag vor, wenn ein Kunde Ware bestellt. Abzüglich einer Provision für die Bank kommt Quelle so schnell an sein Geld.

Valovis weist die Beschuldigung zurück. "Grundsätzlich wären wir bereit gewesen, Quelle auch über den 31. Dezember hinaus weiter zu finanzieren - aber nicht allein", sagte Valovis-Sprecherin Monika Lass der taz. Es liege auch an der Bayern LB und der Commerzbank. Diese beiden Banken haben im Juni je ein Drittel des 300 Millionen Euro schweren Factoring-Geschäftes von Quelle übernommen, nachdem Valovis das Factoring zuvor in Eigenregie betrieben hatte. Auf Nachfrage der taz teilten Bayern LB und Commerzbank mit, dass man sich nicht zu Kundenbeziehungen äußere .

Pikant an der Entscheidung von Valovis ist, dass hier die finanziellen Interessen der Quelle-Pensionäre mit den Interessen der Quelle-Beschäftigten kollidieren. Denn alleiniger Gesellschafter der Valovis ist der Karstadt Quelle Mitarbeitertrust e. V., der Pensionsfonds des Konzerns. Auf Nachfrage der taz wollte der Pensionsfonds zur aktuellen Entwicklung jedoch keine Stellung nehmen. Die Valovis Bank steckt in einem Dilemma: Mit ihrem Finanzierungsstopp trägt sie dazu bei, dass auch die verbliebenen 7.000 Arbeitsplätze bei Quelle verloren gehen, um die finanziellen Interessen der Quelle-Pensionäre zu schützen. Allerdings bezweifelt Valovis, dass es jemals einen seriösen Investor gab: "Es wurden niemals ernsthafte Gespräche zwischen uns und einem Investor geführt", sagte die Valovis-Sprecherin.

Tatsächlich gehen Beobachter davon aus, dass sich das Aus für Quelle schon seit Juni, seit der Insolvenz des mit 2,6 Milliarden Euro verschuldeten Mutterkonzerns Arcandor abzeichnete: "Es lief von Anfang an darauf hinaus, die Auslandsteile des Unternehmens lukrativ zu verkaufen und Quelle abzuwickeln", sagte ein mit den Vorgängen vertrauter Experte der taz. Eine Zukunft für Quelle gebe es nicht, weil auch vier Monate nach der Insolvenz von Arcandor "kein unternehmerisch tragfähiges Konzept für Quelle" gefunden worden sei. "Das Factoring wäre nur ein Mosaikstein eines umfassendes Finanzierungskonzeptes." Genau daran mangele es aber.

Bereits vor exakt fünf Jahren wurden dramatische finanzielle Schwierigkeiten bei Karstadt-Quelle deutlich. Wegen der Flaute im Einzelhandel und weil Quelle das Onlinegeschäft versäumte, verloren ab Oktober 2004 8.500 Mitarbeiter ihren Job. 77 der damals 189 Karstadt-Warenhäuser wurden geschlossen. Der damalige Vorstandschef Thomas Middelhoff verkaufte im Jahr darauf 51 Prozent des Immobilienbesitzes von Karstadt-Quelle für 4,5 Milliarden Euro an die Investmentbank Goldman Sachs und baute mit den Mehreinnahmen die Konzerntochter Thomas Cook zum weltweit drittgrößten Tourismusunternehmen aus, das bald 60 Prozent des Umsatzes erwirtschaftete. Heute sind fast alle Arcandor-Immobilien in Händen Dritter. Für die Nutzung seines früheren Eigentums zahlt das Unternehmen jährlich rund 350 Millionen Euro Miete.

Doch nach einer kurzen Erholung begannen sich im vergangenen Jahr die Schulden abermals aufzutürmen. Um zu überleben, musste Middelhoff nach und nach alle Anteile Arcandors an der Reisesparte verpfänden. Im Frühjahr 2009 erreichte die Arcandor-Aktie einen historischen Tiefpunkt - Middelhoff verließ damals das Unternehmen mit einer Abfindung von 2,3 Millionen Euro. Wegen des Immobiliengeschäfts ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft Bochum wegen des Verdachts der Untreue gegen ihn.

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