Geplante AKW-Laufzeiten: Atom-Gegner kritisieren "Rechtsbruch"
Union und FDP wollen das Atomgesetz im nächsten Sommer ändern. Atomkraftgegner werfen der kommenden Bundesregierung geplanten Rechtsbruch vor.
BERLIN taz | Atomkraftgegner haben der kommenden Bundesregierung vorgeworfen, bei der geplanten Verlängerung von AKW-Laufzeiten rechtswidrig vorzugehen. Denn Union und FDP wollen das Atomgesetz frühestens im nächsten Sommer ändern, wenn sie einen Gesamtenergieplan erstellt haben - und die Wahlen in Nordrhein-Westfalen vorbei sind. Bis dahin hätten die Alt-Reaktoren Biblis A und Neckarwestheim, die Strommenge, die ihnen laut Atomgesetz noch zusteht, aber bereits aufgebraucht.
In der taz vom 15.10. hatte die Unions-Umweltpolitikerin Tanja Gönner die Betreiber darum aufgefordert, Anträge auf Strommengenübertragung zu stellen: "Das Atomgesetz bietet die Möglichkeit, Strom von neuen auf ältere Anlagen zu übertragen", hatte sie erklärt.
Erlaubt sind solche Übertragungen aber als Ausnahme - und nur, wenn die betroffene Alt-Anlage genauso sicher ist wie die neuere, erklärte nun Jochen Stay von der Initiative Ausgestrahlt. Auch Union und FDP hätten in den vergangnen Wochen immer wieder öffentlich erklärt, dass die alten AKWs weniger sicher seien, sagte Stay. "Wenn die Stromkonzerne jetzt trotzdem zu einem Übertragungs-Antrag ermuntert werden und eine Bewilligung schon in Aussicht gestellt werde, dann entspricht dies einem angekündigten Rechtsbruch."
Leser*innenkommentare
Malte Kreutzfeldt
Gast
Wenn ich einen Juristen zitiere, bedeutet das doch nicht, dass es nur einen gibt, der diese Meinung vertritt. Dass in diesem Fall eine Ermessensentscheidung vorliegt und dass der Ermessensspielraum vermutlich sehr begrenzt ist bzw. die Angelegenheit aufjeden Fall vor Gericht landen wird , sehen viele Juristen so.
Schauen Sie zu diesem Thema doch mal in die einschägige Literatur zum Thema "Ermessen", und dort besonders die Bereiche "Ermessensreduzierung durch Selbstbindung der Behörde" (die besagt, dass nicht ohne weiteres von eine bisher geübten und rechtlich für einwandfrei befundenen Entscheidungspraxis abgewichen werden darf) und "Ermessensreduzierung auf Null". Einen ersten Überblick gibt Wikipedia unter dem Eintrag "Ermessen".
Gruß, Malte Kreutzfeldt
MichaelH
Gast
Aha. Und weil Sie nun EINEN Juristen gefunden haben, der Ihnen SEINE Einschätzung geschildert hat, ist aus Ihrer Sicht die Rechtslage grundlegend aufgeklärt.
Wäre es nicht sehr viel ehrlicher, wenn Sie zugäben daß Sie aus schlichter Angst gegen Atomkraft sind? Die Angst ist wohl begründbar, weil Sie die Technik im Grunde ebensowenig verstehen wie andere komplizierte Dinge wie z.B. das Atomgesetz.
Aber deswegen nach scheinbar logischen Argumenten zu suchen um Ihre Angst zu bekämpfen ist ja irgendwie auch keine zufriedenstellende Lösung, oder ?
Malte Kreutzfeldt
Gast
Hallo MichaelH,
ich habe auf den neueren taz-Artikel verlinkt, weil ich darin Juristen zitiere, die genau zu der genannten Einschätzung kommen. "Können" bedeutet demnach rechtlich eben nicht, "einfach machen, wenn man will", sondern weist auf eine Ermessensesentscheidung hin, die nur nach Abwägung aller Tatsachen passieren darf. Und in dem genannten Fall, so haben die Juristen mir das geschildert, geht das Ermessen ihrer Einschätzung nach gegen null. Aber genau wissen wird man das vermutlich erst, wenn das Ganze vor Gericht landet.
Gruß, Malte Kreutzfeldt
MichaelH
Gast
Lieber Herr Malte Kreutzfeldt,
der Wortlaut des Gesetzes "können...wenn .. zustimmen" sind nun mal für Juristen eindeutig und damit ist die Rechtslage klar festgelegt.
Freilich haben Sie recht, wenn Sie etwa darauf hinweisen wollen, daß "können" nicht heißt, daß die im Gesetzestext genannten Behörden zustimmen müssen.
Aber daß Sie zu den Feinheiten der Gesetzesauslegung ausgerechnet die TAZ zitieren, die sich ja nun nachweislich als der Sache unkundig erwiesen hat ist schon drollig....
Malte Kreutzfeldt
Gast
Hallo michaelH und Bürger G.,
anders als der Wortlaut des Gesetzes vermuten lässt, ist die Sache alles andere als eindeutig. Wie Juristen den Begriff "können" interpretieren, steht in einer Folge-Geschichte unter
http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/licht-aus-fuer-biblis-a-1/
Gruß, Malte Kreutzfeldt
Bürger G.
Gast
Liebe TAZ, Liebe Frau Pohl, Lieber Malte,
das Atomgesetz ist an dieser Stelle "leider" eindeutig (s.u.) und ein Journalist, eine Redaktion oder eine Chefredaktuerin sollte doch zumindest vor der Veröffentlichung eines Artikels mal nachprüfen, ob die Sachverhalte stimmen..... die TAZ macht sich zu einem ganz billigen Propagandablatt der Anti-AKW-Konzerne wie Greenpeace oder auch IPPNW! Wann wird es der TAZ mal peinlich solchen Stuß abzudrucken? NIE?
michaelH
Gast
Wer hier von Rechtsbruch spricht, der kennt offenbar die Rechtslage nicht. Im Atomgesetz (§7, Abs 1.b) steht: "[...] Elektrizitätsmengen können abweichend von Satz 1 auch von einer Anlage übertragen werden, die den kommerziellen Leistungsbetrieb später begonnen hat, wenn das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Einvernehmen mit
dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie der
Übertragung zugestimmt hat.[..]"
Ist innerhalb von 5 Minuten bei Google zu recherchieren.
gultimore
Gast
@Andreas H.
Derzeit gilt noch die Rechtslage, dass die Atomkraftwerke bestimmte Restlaufzeiten haben und bisher liegt nur eine Absichtserklärung vor, dieses Recht zu ändern.
Nun ruft ein Politiker auf, die Mittel der Laufzeitübertragung anzuwenden, um das derzeit geltende Recht der Restlaufzeit zu umgehen. Mit anderen Worten, der Politiker ruft zum Rechtsbruch auf.
Klar, wenn Schwarz/Geld das Recht geändert hat, war es kein Rechtsbruch, derzeit ist es aber ein Aufruf zu einem Rechtsbruch, da noch gilt, das Biblis abgeschaltet werden muss.
MTK
Gast
@Andreas H:
Die Strommengenübertragung ist im aktuell geltenden Gesetz nur von älteren auf neuere Anlagen möglich. Wenn man mit dem Zaunpfahl winkt und in Aussicht stellt, es in der anderen Richtung zu genehmigen, hat das zumindest e G'schmäckle... Regierungen können zwar Gesetze machen oder ändern, sie sind aber eigentlich schon an das aktuell geltende Recht gebunden.
andrea g
Gast
Das erinnert mich an das Drama von Datteln: Dort will die Landesregierung ja auch die Gesetze ändern (also Klimaschutz rausstreichen etc.), damit der gesetzeswidrige Bebauungsplan dann wieder gesetzesmäßig ist.
Wenn das so weiter geht wird streicht unsere 0brigkeit bald auch unsere Verfassung auf ein unbürokratisches und zeitgemäßes Minimum zusammen. Vielleicht passt die dann sogar praktischerweise auf einen Bierdeckel.
esel
Gast
@andreas, ich stimme dir zu, deine fragen sind blöd :-) denn aktuell gelten noch die alten gesetze und um die geht es hier und bis neue dazu verabschiedet werden und sie in kraft treten, dauert es eine ganze weile.
Andreas H.
Gast
Zwei blöde Fragen:
1. Die gewählte Legislative (egal wie wenig einem das gefallen mag) will ein Gesetz ändern. Was ist daran bitte ein Rechtsbruch?
2. Eine Politikerin weist jemand anderes darauf hin, dass es die Möglichkeit zum Antrag auf die Übertragung von Restlaufstrommengen gibt, welcher wohlgemerkt im Gesetz (wenn auch nur als Ausnahme) vorgesehen ist. Das mag zwar ein sehr großer Zaunpfal sein, mit dem hier gewunken wird, aber was ist hieran ein Rechtsbruch?
Ich denke wir haben alle verstanden, dass AKW-Gegner überhaupt kein gutes Haar an der Kernenergie lassen. Aber muss man deswegen gleich von einem "Rechtsbruch" reden?