Die chinesischen taz-Kollegen stellen sich vor (III): Sicherheit geht über alles

China mischt sich unter die Welt – und stößt sie vor den Kopf. Grund für harsche Reaktionen auf Kritik ist die Überzeugung: "Stabilität ist wichtiger als alles andere."

Angst vor den Bürgern: Eine Überwachungskamera überblickt den Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Bild: dpa

Ich bin heute das dritte Mal in Frankfurt. Das erste Mal, im September 2004, führte ich Interviews mit den Mitreisenden einer chinesischen Gruppe, die Europa besuchte, wir schlugen einen Bogen von Frankfurt über Paris, Brüssel, Amsterdam, Luxemburg. Das zweite Mal kam ich als Sportjournalist im Juli 2007 zum Weltcup und besuchte ein gutes Dutzend deutsche Städte. Aber niemals zuvor habe ich bei meinen Besuchen so viele Landsleute getroffen, wie jetzt in Frankfurt: Auf dem Flugplatz bildeten die Chinesen die längste Schlange, auf dem S-Bahnhof, getrennt durch die Gleise, diskutierten zwei Chinesen so laut, dass ich das Gefühl hatte, in der Pekinger U-Bahn zu stehen, die Hälfte der Frühstücksgäste im Hotel waren Chinesen und in ihren Unterhaltungen drehte sich alles um die Buchmesse.

China mischt sich unter die Welt – das ist mittlerweile ein unaufhaltsamer Trend. Selbst wenn Mao Zedong aus seinem Glassarg käme, wäre er machtlos – er könnte höchstens seufzen und sich wieder zurücklegen. Langsam vermessen die Schritte der Chinesen die Erde dieser Welt, auch die chinesische Regierung sucht weltweit nach Möglichkeiten, ihr Gesicht zu zeigen und natürlich ist die Frankfurter Buchmesse ein Teil im Plan dieser "Bemühungen". Ich habe einige Berichte gelesen, wonach zumindest einige deutsche Medien und Teile der Bevölkerung sehr verschnupft angesichts der Nachgiebigkeit der Organisatoren der Buchmesse gegenüber der chinesischen Regierung sind. Diese Sichtweise teile ich natürlich. Die Veranstalter dürfen keinerlei Druck nachgeben, weder kommerziellem noch politischem. Das steht völlig ausser Zweifel. Allerdings bin ich der Auffassung, je mehr solcher Veranstaltungen es gibt, umso besser für China. Und je mehr Dinge China – wohlgemerkt nicht der chinesischen Regierung – nutzen, um so besser für die Welt: Es wäre nicht auszudenken, welch ein Schaden der Welt entstehen würde, wenn ein Land mit 1,3 Milliarden EinwohnerInnen hermetisch abgeschlossen oder zu wenig geöffnet bleibt und dann plötzlich explodiert. Dass diese Variante unmöglich ist, kann bislang niemand garantieren.

Zum desaströsen Symposium im Vorfeld der Buchmesse: Ich weiss nicht, ob die Deutschen verstehen, warum die offizielle Delegation geschlossen den Saal verließ, als die Regimekritiker Dai Qing und Bei Ling sprechen sollten. Doch die chinesische Regierung hat eine Losung: "Stabilität ist wichtiger als alles andere." Stabilität bedeutet, es darf nichts passieren, es muss Sicherheit herrschen. Der olympische Fackellauf im vergangenen Jahr ging durch mehr als 100 chinesische Städte. Um absolute Sicherheit zu garantieren, gingen einige Stadtregierungen so weit, ihre Bürger vom Lauf komplett auszuschließen. Denn wäre die Fackel angegriffen worden, dann wären die Verantwortlichen weg gewesen von der Bühne, ihrer Ämter enthoben. Und um nun wieder auf den geschlossenen Auszug der offiziellen Delegation zurück zu kommen: Man könnte auf den ersten Blick meinen, diese Reaktion sei einfach stillos, kleinkariert, unnötig, sinnlos. Tatsächlich aber war es unter den gegebenen Bedingungen die beste Entscheidung. Denn wenigstens würden die Delegationsmitglieder nach Rückkehr nicht ihren Job verlieren. Egal wie sie sich dabei fühlen – sie müssen der Partei unbedingt demonstrieren, dass ihre Ärsche Seite an Seite mit dem der Partei sitzen.

Noch immer gibt es in China Situationen, wo A das Mobiltelefon von Freund B benutzt. Nachdem ein paar Worte gesprochen sind, wird B leichenblass und sagt, wenn du über solch sensible Themen sprechen willst, dann bitte nicht mit meinem Handy, such dir ein anderes. Wir leben noch immer in Angst!

Dai Qing und Bei Ling sind als Gegner der chinesischen Regierung ausgemacht und gelabelt. Fast noch schlimmer aber ist mein Freund, der Schriftsteller Xu Xing, dran. Auch er war im vergangenen September auf dem Symposium. In China findet er seit 20 Jahren keine richtige Arbeit, obwohl er das System in keinster Weise offen kritisiert. Und in Frankfurt? Kaum angekommen, wechselte kein einziger aus der offiziellen Delegation mit ihm auch nur ein Wort, nicht einmal ihn zu grüßen traute man sich. Xu Xing weiß bis heute, nicht warum er in Ungnade gefallen ist. Auch die deutsche Seite verzichtete sich darauf, ihn nun zur Buchmesse einzuladen. Ich habe gehört, dass es bei den Italienern eine Überlegung gab, ihm eine Einladung von italienischer Seite zukommen zu lassen. Ist das nicht lächerlich?! Ein chinesischer Schriftsteller wäre mit der Einladung eines Drittlandes zu einer Buchmesse gefahren, auf der sein Land Gastland ist!

Aus dem Chinesischen von Petra Mann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.