Abschied und Neubeginn: "Ich möchte voll ins Geschirr"

Nach 14 Jahren verlässt Carsten Sieling die Bürgerschaft: Er geht in den Bundestag. Der scheidende Fraktionsvorsitzende der SPD über seine Arbeit

Carsten Sieling (40), Bremer SPD-Fraktionschef, bald MdB Bild: kawe

taz: Herr Sieling, welches war der schwerste Moment in 14 Jahren Bürgerschaft?

Carsten Sieling: Das war ...

jetzt der Abschied?

Nein, der schwerste Moment war das Misstrauensvotum gegen Thomas Röwekamp. Dieser Fernseh-Auftritt nach dem Tod von…

Laya Condé…

Das fand ich einfach unglaublich. Damals für ihn zu stimmen, obwohl er für den Tod dieses Menschen politisch verantwortlich war - das ist mir sehr schwer gefallen.

Sie haben auch die Schlussphase der großen Koalition eingeläutet, als Sie gemeinsam mit Jens Böhrnsen öffentlich Henning Scherfs Politik scharf angegriffen haben.

Dass es uns gelungen ist, das Ende der großen Koalition herbeizuführen, war in den 14 Jahren wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe, die wir uns gestellt und gelöst haben.

Und dass gerade eben die Bürgerschaft beschlossen hat, dass sie künftig von 16-Jährigen gewählt wird - wo rangiert das? Ein schöner Schlusspunkt?

Für mich persönlich war das kein Schlusspunkt: Ich verstehe mein Bundestagsmandat und die Arbeit, die in Berlin auf mich wartet, schwerpunktmäßig als Auftrag, mich für Bremen politisch einzubringen. Ich setze dort meine Arbeit von hier fort. Die Debatte war ein schöner Schlusspunkt unter dieser, wie ich finde, wichtigen Wahlrechtsreform.

Obwohl als letzter Redner Rechtsaußen Tittmann aufgetreten ist…?

Herrn Tittmann werde ich in Berlin sicher am allerwenigsten vermissen. Und ich freue mich und ich bin erleichtert, dass den Tittmännern dieser Republik wenigstens bei der Bundestagswahl kein Erfolg beschieden war.

der SPD allerdings auch nur in engen Grenzen - sprich: Die Fraktion ist klein, und auch die Parlamentsneulinge werden sich nicht langsam reinfinden können. Wird das nicht eine harte Zeit?

Ich habe mich nicht wählen lassen, um geschont zu werden. Ich möchte schon voll ins Geschirr gehen. Wie die Aufgaben und Ämter in der Fraktion verteilt werden, entscheidet sich aber erst im November. Ich habe mich für den Haushaltsausschuss beworben.

Dass die Bremer Regierungskoalition künftig keine direkten Drähte mehr in die Berliner Ministerien haben wird, ist vielleicht keine Katastrophe, aber doch ein Nachteil. Umgekehrt sind mehr bremische Abgeordnete denn je im Bundestag…

Ich erwarte schon, dass alle hiesigen Abgeordneten sich auch für ihr Land einsetzen.

Wird es so einen Bremer Stammtisch in Berlin geben?

Der Stammtisch wird, wenn, dann wahrscheinlich eine Sitzgruppe im ICE sein. Davon, dass man da vielfach zusammen reist, gehe ich aus. Aber ich kann den beiden Abgeordneten von CDU und FDP nur raten, dass sie Steuersenkungen verhindern helfen, die für Bremen schädlich wären.

Inwiefern?

Das würde sich ja sofort auf die dringend notwendigen Infrastrukturmaßnahmen auswirken, wo Bremen auf Bundesgelder direkt angewiesen ist. Und wenn dem Land selbst die Einnahmen verloren gehen, dann würde das auch den Erfolg der gerade erst vereinbarten Schuldenbremse in Frage stellen.

Als Bundespolitiker können Sie auch in der eigenen Partei mehr auf den "Bremer Way of SPD" hinweisen, der stärker links orientiert ist, als in den meisten anderen Ländern. Ein Ziel?

In der Tat: Die Bundes-SPD kann von der Bremer SPD lernen. Wir haben immer auf die Schwächen der Hartz-Gesetze hingewiesen und als erste für den Mindestlohn gekämpft. Und mit unserer rot-grünen Koalition setzen wir vorrangig auf den sozialen Zusammenhalt. Auch das nehme ich mit nach Berlin.

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