Seismologe über Pazifik-Tsunami: "Es blieb keine wirkliche Warnzeit"

Rainer Kind, Seismologe am Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam, über die Pannen nach dem Tsunami, ein besseres Frühwarnsystem im Pazifik und was es kosten würde.

Hätte ein besseres Frühwarnsystem viele Leben retten können? Bild: ap

taz: Herr Professor Kind, was könnte schiefgegangen sein mit dem Frühwarnsystem des Pacific Tsunami Warning Center in Hawaii?

Rainer Kind: Wir beim Geo-Forschungs-Zentrum haben unser eigenes globales seismografisches Netz und haben das Beben im Südpazifik in acht Minuten registriert sowie Epizentrum und Magnitude bestimmt. Das ist eine Selbstverständlichkeit, alles andere kann nur auf Falschmeldungen beruhen. Das Pacific Tsunami Warning Center auf Hawaii ist hauptsächlich auf den Nordpazifik ausgerichtet. Aber sie decken auch den Südpazifik ab. Trotzdem gibt es im Süden des Ozeans noch kein ausgefeiltes Warnsystem. Nach dem Beben am Dienstag brauchte die Welle rund 25 Minuten bis zur Küste. Ich schätze, das Tsunami-Center in Hawaii brauchte mehr als 15 Minuten, um die Parameter des Bebens zu bestimmen und eine Tsunamiwarnung zu verschicken. Also blieb keine wirkliche Warnzeit für die Menschen in Samoa.

Wie viel Zeit darf maximal vergehen, damit sich die Bevölkerung noch vor einer gewaltigen Flutwelle ins Hinterland retten kann?

Das kann zwischen null Sekunden und einigen Stunden sein. Die Informationen über das Beben laufen viel schneller ein, als der Tsunami sich fortbewegt. Aus dieser Zeitdifferenz kann man Warnzeit gewinnen. Grundsätzlich gilt: Je weiter das Epizentrum des Bebens entfernt ist, desto mehr Zeit hat man für die Rettungsmaßnahmen. Jedoch läuft ein Tsunami mit der Geschwindigkeit eines Düsenflugzeugs, etwa 800 bis 900 Kilometer pro Stunde.

Hätte es auf Samoa Tote geben müssen?

Es hätte wahrscheinlich keine Toten geben müssen. Die Warnzeit hätte man drücken können. Dafür braucht man ein aufwendiges System. Das kostet Geld. Nach einem Beben wird es vielleicht Politiker geben, die eher bereit sind, Geld dafür bereitzustellen.

Warum gibt es dann im Südpazifik kein besser funktionierendes Frühwarnsystem?

So ein System kostet viel Geld und erfordert eine moderne Technologie. Auch im Mittelmeer gibt es so ein System noch nicht. Dort kann jederzeit etwas Ähnliches passieren. Seit dem Tsunami 2004 vor Indonesien hat sich aber das Bewusstsein auch der Seismologen geändert, und vieles wurde daraufhin beschleunigt.

… allerdings dauerte es auch vier Jahre, bis das Frühwarnsystem im Indischen Ozean fertiggestellt wurde. Wie hoch wären die Kosten für ein solches System im Südpazifik?

Das System im Indischen Ozean hat allein Deutschland 45 Millionen Euro gekostet. Im Südpazifik würde es wahrscheinlich teurer, denn das System müsste seegebundener sein, dort gibt es weniger Inseln.

Ist der Südpazifik stärker gefährdet als andere Regionen?

Etwa 80 Prozent der weltweiten Tsunamis entstehen im Pazifischen Ozean. Und alle Küstengebiete dort sind gleichermaßen gefährdet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.