Alltag in Alt-Treptow: Moslem, Arschloch, Hurensohn

Eine Umfrage zeigt, dass Beleidigungen, Abzocke und Schlägereien für Kinder und Jugendliche in Alt-Treptow Alltag ist. Auch jeder dritte Erwachsene wurde schon einmal bedroht oder belästigt.

Nah an der Innenstadt und trotzdem grün, viele junge Familien, eine Grundschule vor der Haustür: Alt-Treptow boomt, auch als Alternative zum benachbarten und überteuerten Kreuzberg 36. Doch bei den Bewohnern geht nicht nur die Sorge um steigende Mieten um. Ende voriger Woche stellte Sigrun Merkle von der Anwohnerinitiative Kungerkiez in den Räumen der Initiative in der Kunger-Straße eine Studie vor. Die zeigt, dass viele Kinder, Jugendliche und Eltern Erfahrungen mit Gewalt und Rassismus machen. Befragt wurden 71 Schüler zwischen 5 und 17 Jahren, 50 Eltern der dritten bis sechsten Klassen und alle Geschäftsbesitzer des Kiezes.

Gewalt gehört zum Alltag in Alt-Treptow. Jeder dritte Erwachsene wurde schon einmal bedroht oder belästigt, bei den Kinder und Jugendlichen haben bereits 62 Prozent eine oder mehrere Situationen im öffentlichen Raum erlebt, die sie als bedrohlich und/oder problematisch empfanden. Sehr häufig berichten sie, dass sie beschimpft wurden, meist mit Worten aus der Fäkalsprache oder dem Sexualkontext. Die Umfrage ergab auch, dass das dritthäufigste Schimpfwort "Moslem" ist. Außerdem antwortete jeder zweite Jugendliche, dass es Personen gibt, denen er alleine lieber nicht auf der Straße begegnen möchte, weil er Angst vor ihnen habe.

"Das deutliche Gewaltaufkommen im öffentlichen Raum schwappt nur zu einem geringen Teil aus den angrenzenden Bezirken herüber", sagt Studienleiterin Merkle im Hinblick auf die Nachbarbezirke Neukölln und Kreuzberg. Alt-Treptow selbst stehe auf der Kippe. Weil demnächst die Neuköllner Röntgenschule in die Wildenbruchstraße und damit die erste weiterführende Schule in den Kiez zieht, seien auch die Ergebnisse der Studie über Gewalt in der Schule interessant, so Merkle. Danach wurde jeder zweite Schüler mindestens einmal von anderen so stark angeschrien oder beschimpft, dass er oder sie geweint hat. 44 Prozent sind schon einmal das Fahrrad, die Schultasche oder ein Buch von einem anderen Kind mutwillig beschädigt worden.

Um die Situation im Kiez zu verbessern, fordert Merkle mehr bürgerschaftliches Engagement (siehe Interview). Dass es daran noch mangelt, zeigen auch die Antworten der Kinder und Jugendlichen: Nur jeder Zehnte rechnet damit, dass bei Gewalttaten Erwachsene eingreifen. Jeder Fünfte ist sich sicher, dass Erwachsene sich unter keinen Umständen einmischen würden. Die Konsequenz: Von den über 12-Jährigen wünschen sich zwei Drittel, dass Erwachsene bei Streitigkeiten nicht mehr einbezogen werden. BASTIAN BRINKMANN

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