Asien in der Wirtschaftskrise: So viel Deutschland war noch nie

Auch Indien und China haben mit den Folgen der Wirtschaftskrise zu kämpfen. Auf der deutsch-indischen Regierungskonferenz wollen sie von Deutschland lernen, wie Sozialdemokratie geht.

Auch in China gibt es viele Verlierer der Wirtschaftskrise, wie diese beiden Wanderarbeiter, die auf dem Hauptbahnhof von Peking auf ihren Habseligkeiten schlafen. Bild: dpa

DELHI taz | Indien und China - sind das nicht die Gewinner der Weltwirtschaftskrise? Nein, meinte Ursula Schäfer-Preuss, ihre liberalen Wachstumsmodelle hätten ausgedient, heute müssten sich auch Tiger und Drache auf ein sozial integratives Wachstum besinnen. Schäfer-Preuss, ehemalige Abteilungsleiterin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), setzte damit den Ton für eine ebenso einzigartige wie selbstbewusste deutsch-indische Regierungskonferenz unter dem Titel "Wachstum mit Qualität - Wege zu einer sozial integrativen Entwicklung in Asien", die in dieser Woche in Delhi stattfand.

Man traf sich im Taj Palace, dem Luxushotel, in dem jedes Jahr auch das Weltwirtschaftsforum in Delhi tagt. Und man hatte den gleichen Anspruch wie die Welterklärer aus Davos: Allen zeigen, wo es lang geht. Diesmal aber ganz nach dem sozialdemokratischen Zeitgeist, der heute sowohl in Berlin als auch in Delhi weht.

Tatsächlich unterhält die so unangefochten wie lange nicht mehr regierende indische Kongresspartei traditionell gute Beziehungen zu CDU als auch SPD. Und egal, ob eine allein oder beide zusammen in Berlin an der Macht sind - Deutschland ist aus indischer Sicht ein soziales Modell. Das aber wollen auch die Deutschen jetzt wieder offensiv an die Welt verkaufen: Sie erklärten den Indern auf der Konferenz, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland zwar hoch sei, aber aufgrund der vorbildlichen deutschen Sozialpartnerschaft während der Krise nur langsam gestiegen sei.

Die Inder ihrerseits gerierten sich als sozialdemokratische Musterschüler: S.K. Srivastava, Vertreter des Arbeitsministerium in Delhi, erläuterte den Plan seiner Regierung, die Sozialversicherung von den 28 Millionen vertraglich Beschäftigen in Indien auf die 387 Millionen vertraglos Angestellten zu erweitern. Auch sollen 60 Millionen Arme in Indien bald bargeldlos mit einer neuen "Smart-Card", wie es sie auch bei den AOKs in Deutschland gibt, krankenversichert werden. Einen "Geniestreich" nannte Günter Dresrüsse das, der Leiter der BMZ-nahen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit in Delhi. Es klang wie: So viel Deutschland war noch nie in Asien! In Wirklichkeit aber gab es in Indien schon viele große Sozialpläne und keiner wurde verwirklicht.

Umso interessanter war die Antwort des chinesischen Regierungsökonomen Ding Ningning auf die deutsche Modellkritik an Indien und China: Richtig sei, dass man eine Sozialversicherung für alle anstreben müsse, allerdings auf sehr geringem Niveau, sagte Ding. Und erst nachdem der Staat für Wachstum, einen ausgeglichenen Haushalt und geringe Inflation gesorgt habe. Das klang zwar noch sozialdemokratisch, war im Kern aber eher neoliberal. Doch gerade China wurde auf der Konferenz in Delhi mehrfach als das beste Beispiel für ein sozial integratives Wachstum gelobt. Passte das alles noch in die sozialdemokratische Weltanalyse? Egal. Hauptsache, Berlin traute sich mal wieder, die Welt überhaupt zu analysieren, und überließ Indien und China nicht den anderen.

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