Digitales Fernsehen: Das Knebel-TV

Wenn es nach den privaten Fernsehsendern geht, wird die Zukunft für den Zuschauer unangenehm. Zwangsgebühren für HDTV-Ausstrahlungen sind da nur der Anfang.

Zwangswerbung und Gebühren – HDTV gefährdet das bequeme Fernsehen. Bild: dpa

Eigentlich ist TV-Schauen heute bequemer denn je: Dank kostengünstiger digitaler Videorekorder, die die aktuell laufenden Programme ständig mitspeichern, lässt sich jede Sendung beliebig unterbrechen, zurückspulen, auf den PC überspielen und um nervige Werbeblöcke befreien.

Was früher in Arbeit ausartete wie etwa die Programmierung zeitgesteuerter Aufnahmen, lässt sich dank elektronischer Programmführer mit wenigen Knopfdrücken erledigen.

Doch der nächste Schritt bei der digitalen TV-Revolution könnte die derzeitige Bequemlichkeit der Zuseher bald arg reduzieren. Die großen Privatsendergruppen RTL Group und ProSiebenSat.1 nehmen die lange verzögerte Umstellung auf hochauflösendes Fernsehen (HDTV) zum Anlass, neue technische Verfahren einzuführen, die vor allem der Kundenknebelung dienen.

Statt unverschlüsselt wie bisher zu senden, sollen Kanäle wie RTL, Vox, Sat.1 oder Kabel 1 künftig mit schärferen Bildern nur gegen Bezahlung angeboten werden. Der Trick: Die dazu notwendige Dekoderbox, die demnächst im Handel sein soll, schließt die Abogebühr für 12 Monate ein, danach werden Jahres- oder Monatstarife fällig.

So nervig die Verschlüsselung ist, die die Sender unter anderem mit der Gefahr von Raubkopien begründen - sie ist nicht das Hauptproblem. Mit den neuen Geräten wird erstmals möglich, was bei Free-TV-Sendern bislang in Deutschland unmöglich war: Volle Kontrolle der Veranstalter über die Verbreitung ihrer Programme.

Die bei RTL Group und ProSiebenSat.1 geplanten Geräte bieten dazu diverse technische Möglichkeiten an. Mit dem so genannten digitalen Rechtemanagement (DRM) kann ein Sender mit Hilfe so genannter Flags, kleiner Steuersignale, bestimmen, was der Kunde mit seinem Dekoder tun kann.

So könnte sich RTL beispielsweise überlegen, die neueste Oliver-Geissen-Musikdudelshow von der Aufzeichnung auszuschließen, damit der Sender sie später besser auf DVD verhökern kann. Bietet der Dekoder das berühmte Anhalten der Sendung mit Überspringen der Werbung an, auch Timeshifting genannt, ließe sich auch dies steuern: So wäre stets sichergestellt, dass der Zuseher die volle Reklamepackung erhält.

Die Möglichkeiten der DRM-Beschränkungen sind groß. Neben der vollständigen Sperre von Aufnahmen z.B. bei teuren Hollywood-Blockbustern könnte sich ein Sender auch entschließen, aufgezeichnete Sendungen nach einigen Tagen automatisch löschen zu lassen - auch dann müsste der Kunde zur DVD oder zum bezahlten Video-on-Demand-Angebot greifen.

Auch lässt sich problemlos unterbinden, dass eine aufgezeichnete Sendung auf andere Geräte überspielt wird, Videoarchive werden so verhindert. Zu guter Letzt könnte sich ein Sender auch entscheiden, das hochauflösende Signal nur für Live-Sendungen zu reservieren und am Ausgang des Decoders z.B. zum Überspielen auf eine DVD nur ein Bild mit matschiger Bewegungsdarstellung zuzulassen.

Noch ist das hochauflösende Knebel-TV, das über Satellit verbreitet werden soll, nicht im Wohnzimmer gelandet. Der Grund dafür ist allein technisches und organisatorisches Hickhack zwischen den deutschen Privatsendern, dem Satellitenbetreiber Astra und den Herstellern von Dekoderboxen.

Klar ist nur, dass die Medienkonzerne alle oben genannten Möglichkeiten potenziell nutzen wollen, wie Sprecher auch zur letzten IFA stets bestätigten - besonders die Vorspulverhinderung bei Werbung hat es den Sendern angetan. Klappt der geplante Zeitplan, könnte RTL bereits im Herbst, ProSiebenSat.1 im Frühjahr 2010 mit dem Vorhaben starten.

Zum Glück hat der Kunde (noch) eine Wahl. Privat-TV in Standardauflösung bleibt zunächst unverschlüsselt etwa über Satellit und digitales Antennenfernsehen zu empfangen - hier kann man mit dem Signal weiterhin aufzeichnen und vorspielen, wie man nur möchte.

Wenn die Kunden schlau sind, bedenken sie die großen deutschen Privatsender einfach mit einem HDTV-Kaufboykott, der dem Management klar macht, dass ein etwas besseres Bild nicht dazu führen kann, dass Zuseher in ihren Rechten geknebelt werden. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist übrigens bald ebenfalls hochauflösend - ganz ohne Verschlüsselung und DRM.

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