Kommentar Schwarz-Gelb: Und es geht doch um etwas

Nimmt man den schlappen Wahlkampf als Maßstab, bekommt man den Eindruck, es ginge um nichts. Ein Irrtum: Die Wahl am 27. September markiert eine Richtungsentscheidung.

Nur falls es jemand vergessen hat, in gut zwei Wochen steht ein nicht ganz unwichtiger Termin an: Die BürgerInnen entscheiden, wer die deutsche Politik der nächsten vier Jahre bestimmt. Nimmt man den schlappen Wahlkampf als Maßstab, bekommt man den Eindruck, bei dieser Bundestagswahl ginge es um nichts. Doch dies wäre ein fataler Trugschluss. Am 27. September geht es um eine Richtungsentscheidung, nämlich um die Frage, ob Schwarz-Gelb regiert - oder eben nicht.

Ein radikaler Kurswechsel ist also möglich. Dass sich diese Tatsache im Wahlkampf kaum widerspiegelt, stattdessen lähmende Langeweile dominiert, hat mehrere Ursachen. Die großen Parteien sind weniger konturiert und unterscheidbar geworden, nicht zuletzt, weil sich die CDU sozialdemokratisiert hat. Merkel setzt auf ihre Beliebtheit und meidet jede Positionierung, damit möglichst viele potenzielle SPD-Wähler zu Hause bleiben. Auch Steinmeier hütet sich vor Polarisierung. Der Wahlkampf krankt an einem zentralen inhaltlichen Vakuum: Keine Partei traut sich, die wichtigste Aufgabe der nächsten Legislatur ehrlich zu benennen.

Die nächste Regierung muss die Spätfolgen der Wirtschaftskrise bewältigen, und - noch wichtiger - die immense Staatsverschuldung managen, die durch ihre Bekämpfung gewachsen ist. Das heißt, ein Zweiklang wird die kommenden Jahre bestimmen: Steuererhöhungen auf der einen, Ausgabenkürzungen auf der anderen Seite. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob dieses Projekt von Schwarz-Gelb angegangen wird oder von einer Regierung, an der die SPD in einer großen Koalition oder einer Ampel beteiligt ist.

Wie Union und Liberale im Detail ihr Markt- und Staatsverständnis in den entscheidenden Jahren der Krisenbewältigung umsetzen würden, ist kaum vorherzusagen. Doch die Pläne, Mindestlöhne abzuschaffen, eher Unternehmen denn Niedrigverdiener zu entlasten oder Sozialausgaben zu kürzen, sind geschrieben, so viel ist sicher.

Bei dieser Wahl entscheidet sich, ob sie Wirklichkeit werden.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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