Volksbegehren: Poker um "Mehr Demokratie"

Am Montag signalisierten CDU und Linke, sie wollten "mehr Demokratie" und die halbherzige Lösung der SPD scheitern lassen. Jetzt sieht es anders aus.

"Mehr Demokratie" machte den Anfang, jetzt ist die Bürgerschaft gefragt. Bild: mnz

Am Donnerstagnachmittag will die Bremische Bürgerschaft über eine Verfassungsänderung abstimmen, die seit Monaten umstritten ist. "Mehr Demokratie" solle es geben, mehr Möglichkeiten, per Volksentscheid Gesetze einzubringen und auch die Verfassung zu ändern. Das Projekt, von der Initiative "Mehr Demokratie" und den Grünen seit Jahren eingefordert, schien noch am Montag zum Scheitern verurteilt, weil die SPD partout die Hürde für Verfassungsänderungen nicht absenken will. Zwar sind CDU, Grüne, FDP und Linkspartei dafür, aber sie haben zusammen nur eine Mehrheit von 45 Stimmen, für die Änderung der Verfassung sind 56 von 83 möglichen Stimmen notwendig.

Im Grunde ist die SPD gespalten. Mancher äußert hinter vorgehaltener Hand, dass eigentlich nichts dagegen spricht, wenn das Quorum für Verfassungsänderungen bei 40 Prozent - anstatt wie bisher bei 50 Prozent - liegt. Wenn das Parlament abstimmt, reichen auch die Volksvertreter von 40 Prozent der Bevölkerung für eine 2/3-Mehrheit, wenn sich wie 2007 nur 57 Prozent an der Bürgerschaftswahl beteiligen.

"Es gibt auch viele in der SPD, die halten nichts von mehr Demokratie und denen wäre ein Scheitern nicht unlieb", sagt Klaus-Rainer Rupp, Abgeordneter der Linkspartei. Die Linke hat mit der SPD gesprochen und ausgelotet, ob die SPD wenigstens bei der Zahl der Unterschriften, die für ein die Verfassung änderndes Volksbegehren notwendig sind, kompromissbereit wäre. Da müssen nach SPD-Auffassung 95.000 gültige Unterschritten zusammenkommen - "völlig undenkbar in nur drei Monaten", sagt Rupp. Dieses Quorum sei ein Verhinderungs-Quorum. Aber auch da sei die SPD hart geblieben.

"Wir stimmen koalitionstreu ab", sagt gestern noch der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. Schon in den Koalitionsverhandlungen hatten die Grünen bei der SPD auf Granit gebissen. Die Sache drohte zum Prinzipienstreit zu werden, denn im Alltag sind die Erleichterungen von "normalen" Volksbegehren viel wichtiger: Da sollen künftig die Unterschriften von fünf Prozent der Wahlberechtigten ausreichen, um das Verfahren in Gang zu bringen, bisher waren dies zehn Prozent. Bei der Abstimmung soll das Quorum bei 20 der Wahlberechtigten liegen anstatt wie bisher bei 25 Prozent. Diese Erleichterung für "Mehr Demokratie" würde scheitern, wenn CDU und Linkspartei dem Gesetzesentwurf mit Hinblick auf ihre weitergehende Forderung nicht zustimmen. "Die CDU will mehr. Das ist gut so", hatte der Vertreter von "Mehr Demokratie", Tim Weber, in der letzten Mitgliederzeitung der CDU in einem Gastbeitrag formuliert - dann aber der CDU eine "weise Entscheidung" gewünscht.

Soll man die Erleichterung für Volksgesetzgebung wegen der Starrsinnigkeit der SPD in Sachen Verfassungs-Quorum ganz scheitern lassen? Diese Frage quälte auch die Linkspartei. Paul Tiefenbach von "Mehr Demokratie" hat sich gestern in einem internen Brief an die Linke gewandt. Er sieht "die konkrete Gefahr, dass der Gesetzesentwurf scheitert", schreibt er - Teile der SPD seien kompromissunfähig, will ihnen die ganze Richtung nicht passe. Obwohl er die Kritik der Linken an dem Gesetzesentwurf teile, müsse das Scheitern des ganzen Projektes vermieden werden, so Tiefenbach.

Damit hat die Abstimmung am Donnerstag wieder gute Chancen. Eigenwillige Volksvertreter, die nach ihrem Gewissen abstimmen, sind kaum zu befürchten: Die Koalitionsfraktionen wollen den Fraktionszwang nicht aufheben, und es ist namentliche Abstimmung beantragt. Die Sache ist damit hoch aufgeladen. Zwei Abgeordnete sind krankgemeldet, die Mehrheit aus SPD, Grünen, Linkspartei und FDP erreicht damit genau die erforderlichen 56 Stimmen. Wenn noch wer krank wird, muss das Thema vertagt werden.

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