Ein politischer Prozess: Politkowskaja-Mord erneut vor Gericht

Die Angehörige der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja verlangen eine Neuaufnahme der Ermittlungen.

Die Angeklagten hinter Gitter beim Prozess im Februar 2009. Bild: dpa

MOSKAU taz | Vor dem Moskauer Militärgericht begann am Mittwoch das Revisionsverfahren im spektakulären Mordfall an der Journalistin Anna Politkowskaja. Im Februar hatte ein zwölfköpfiges Geschworenengericht vier Verdächtige aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte beim Obersten Gericht Russlands Revision ein, das Ende Juni das Urteil aufhob. In der Auftaktverhandlung nahm das Militärgericht Eingaben der Verteidigung und der Kinder der Ermordeten als Nebenkläger entgegen. Sie verlangen eine Neuaufnahme der Ermittlungen.

Anna Politkowskaja war im Oktober 2006 in ihrem Wohnhaus in Moskau erschossen worden. Die regimekritische Journalistin hatte sich mit Recherchen über Menschenrechtsverletzungen im Tschetschenienkrieg weltweit einen Namen, im Kreml und bei den moskautreuen Machthabern in Grosny jedoch keine Freunde gemacht.

Auf der Anklagebank sitzen die tschetschenischen Brüder Ibrahim und Dschabrail Machmudow, denen zur Last gelegt wird, das Opfer vor dem Mord beschattet und den mutmaßlichen Täter an den Tatort geführt zu haben. Ebenfalls angeklagt ist der russische Expolizist Sergej Chadschikurbanow, der vor dem Mord logistische Hilfe geleistet haben soll. Er muss sich noch mit dem Geheimdienstmitarbeiter Pawel Rjagusow in einem Entführungsfall verantworten, der an den Mordprozess angehängt wurde. Der mutmaßliche Mörder ist flüchtig. Es soll sich um Rustam Dschabrailow, den älteren Bruder der tschetschenischen Angeklagten handeln.

Allerdings erwies sich im ersten Verfahren, dass die Beweise der Staatsanwaltschaft für den Mord nicht stichhaltig waren. Mobilfunkprotokolle, die einen Nachweis erbringen sollten, stellten sich als fingiert heraus. Auch deckten sich die Körpermasse des Verdächtigen nicht mit den Aufzeichnungen einer Überwachungskamera. Bereits im ersten Prozess setzte sich die Staatsanwaltschaft dem Verdacht aus, stellvertretend für die wahren Täter und Auftraggeber des Mordes Helfershelfer und Nebenfiguren vorzuführen. Auch das neue Verfahren ist nicht frei davon. Die Kinder der ermordeten Journalistin stellten deshalb den Antrag, die Ermittlungen neu aufzunehmen.

Sergej Sokolow, Vizechefredakteur der Nowaja Gaseta, für die Politkowskaja tätig war, vermutet, der neue Prozess hätte eher politische als juristische Hintergründe. "Den Behörden geht es darum, überhaupt jemanden zu verurteilen." Die Ermittlungen im ersten Prozess seien lückenhaft gewesen und wichtige Beweise unterschlagen worden. Die Zeitung stellte eigene Untersuchungen an und kam zu dem Ergebnis, dass Politkowskaja wahrscheinlich kurz vor ihrem Tod von mehreren Gruppen beschattet wurde. Das könnte auf die Beteiligung geheimdienstlicher Kreise hindeuten.

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