Diskriminierung: Rassismus auf dem Dienstweg

Das Bezirksamt Mitte lässt ein aufenthaltsverlängerndes Attest überprüfen. Begründung: Der ausstellende Arzt sei ein "Landsmann" des Patienten.

Arzt ist nicht gleich Arzt - zumindest in den Augen mancher Sachbearbeiter im Bezirksamt Mitte. Bild: dpa

Von einem "Fall offensichtlicher rassistischer Diskriminierung" spricht die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider. Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal ist froh, dass seine Behörde mit dem Fall "nichts am Hut hat". Und das zuständige Bezirksamt Mitte teilt mit, die Formulierung sei "leider schlecht gewählt worden".

Der türkische Seemann Mehmet S. lebt seit 18 Jahren in Hamburg. Bislang hatte er zur Ausübung seines Berufes einen Aufenthaltsstatus, doch nun kann S. seiner Tätigkeit auf See nicht mehr nachkommen - der renommierte Facharzt für Psychiatrie, Oktay Yagdiran, attestierte ihm im April dieses Jahres "schwere Depressionen" und "wahnhafte Störungen". Damit hätte S. auch ohne Arbeit ein Bleiberecht bekommen.

Doch die Ausländerabteilung des Bezirksamts Mitte stellt sich quer. Sachbearbeiter Bernd S. ordnete eine Überprüfung durch den Amtsarzt des Gesundheitsamtes an. In seinem Schreiben heißt es, es sei "etwas problematisch", dass der Arzt "offensichtlich Landsmann von Herrn S." sei. Zudem müsse der "Lebensunterhalt des Herrn S. zumindest mittelfristig durch die öffentliche Hand bestritten werden, wenn ihm ein Aufenthaltstitel eingeräumt wird".

Er wäre "dankbar", schrieb der Sachbearbeiter weiter, wenn sich jemand beim Gesundheitsamt das beigefügte Gutachten anschauen und aus ärztlicher Sicht dazu Stellung nehmen könnte, "ob die dort geschilderte Krankensituation nachvollziehbar erscheint".

Was für den Sachbearbeiter "problematisch" ist, wird von Gesundheitsbehörde und Ärztekammer geradezu empfohlen. So gibt die Gesundheitsbehörde den "Hamburger Gesundheitswegweiser für Migrantinnen und Migranten" heraus, in dem nicht-deutschsprachige ÄrztInnen aufgelistet sind, da sprachliche Verständigungsprobleme und kulturelle Barrieren zu Fehldiagnosen führen könnten. Es wird geraten, ÄrztInnen aufzusuchen, die mit den PatientInnen in der Muttersprache kommunizieren können. "Gerade in der Psychotherapie ist die Verständigung in der Muttersprache sehr wichtig", sagt Ärztekammer-Sprecherin Dorthe Kieckbusch. Auch wenn jemand schon seit Jahren in Deutschland lebe und die deutsche Sprache beherrsche, spielten in der Psychotherapie "ethnische und kulturelle Hintergründe" eine große Rolle. Daher sei so ein Vorbehalt "völlig unangemessen und von Vorurteilen geprägt".

Sachbearbeiter S. will nun alles gar nicht so gemeint haben, erklärt Bezirksamtssprecher Lars Schmidt. Er habe sich durch die amtsärztliche Überprüfung nur für seinen positiven Entscheid absichern wollen. Er habe nur den Eindruck vermeiden wollen, dass seine positive Entscheidung womöglich auf der Basis eines Gefälligkeitsgutachten gefällt worden sei. Schließlich habe der Amtsarzt die Diagnose des Psychiaters Yagdiran völlig bestätigt, so Schmidt. Und der 53-jährige Seemann habe dann ja auch einen Aufenthaltsstatus bekommen.

Für die Linkspartei ist der Fall noch nicht erledigt. Sie begehrt in Form einer kleinen Anfrage vom schwarz-grünen Senat Auskunft darüber, ob es sich um eine Entgleisung eines einzelnen Mitarbeiters handele - oder ob es in der Ausländerbehörde und den Ausländerabteilungen der Bezirksämter "Praxis" sei, Ärzte als "Landsleute" der Patienten "zu identifizieren".

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