Im Clinch ums Kohlekraftwerk Moorburg: Vattenfall torpediert Umweltauflagen

Energiekonzern klagt vor dem Weltbank-Schiedsgericht gegen die Bundesrepublik. Umweltschützer halten das für unvereinbar mit OECD-Leitlinien und befürchten Schaden für Klimapolitik.

Könnte die Stadt teuer kommen: das Kraftwerksprojekt in Moorburg. Bild: Gernot Knödler

Die Vattenfall-Klage gegen Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg bedroht die künftige Umwelt- und Klimapolitik Deutschlands. Das ist das Ergebnis einer Expertise, die jetzt die Umweltorganisationen Greenpeace und Weed (World Economy, Ecology & Development) vorgelegt haben. Der schwedische Energiekonzern klagt vor dem Schiedsgericht der Weltbank gegen die Bundesrepublik wegen der wasserrechtlichen Auflagen für das Kraftwerk. Wie Greenpeace und Weed befürchten, könnten sich vor der ökonomisch ausgerichteten Schiedsstelle die wirtschaftlichen Interessen des Konzerns gegen Umweltbelange durchsetzen. "Der schwedische Staatskonzern Vattenfall will aus reiner Profitgier deutsche Umweltauflagen aushebeln", so Karsten Smid von Greenpeace.

Wie die taz berichtete, hat Vattenfall am 17. April das Internationale Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) bei der Weltbank angerufen. Der Konzern beruft sich auf die Energiecharta, die 52 Staaten unterzeichnet haben - auch Deutschland. Der Vertrag schützt ausländische Investitionen: Er verlangt eine faire Behandlung des Investors. Wird der enteignet, muss er entschädigt werden.

Eine Klage nach dem internationalen Investitionsrecht verschaffe Vattenfall eine größere Chance auf Schadenersatz als eine Klage vor einem nationalen Gericht, befürchtet Jürgen Knirsch von Greenpeace. "Sollte Vattenfall Recht behalten vor dem Schiedsgericht, könnte das ein Dammbruch sein", sagt Knirsch. Wenn Schadenersatz drohe, schrecke das Staaten davon ab, harte Umweltauflagen zu erlassen. Die Folgen für den Umwelt- und Klimaschutz seien "unabsehbar". Im vorliegenden Fall gehe es um eine Entschädigungssumme von bis zu 600 Millionen Euro.

Vattenfall begründet seine Klage vor dem ICSID nebulös: "Unsere Investition in Moorburg ist nicht so behandelt worden, wie das nach dem Abkommen hätte sein müssen", sagt Sprecherin Sabine Neumann. Es handele sich um ein laufendes Verfahren.

Der Hintergrund dürfte sein, dass der CDU-Senat 2007 mit Vattenfall den Bau des Kraftwerks vereinbarte. Nach der Bürgerschaftswahl 2008, die zu einer schwarz-grünen Koalition führte, genehmigte die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk das Kraftwerk endgültig - allerdings mit den wasserrechtlichen Auflagen. "Wir tun nichts anderes als das, was die EU von uns verlangt", sagt Hajduks Sprecher Enno Isermann.

Greenpeace und Weed kritisieren nun, dass Vattenfall keine konkreten Auskünfte zu der ICSID-Klage gibt. Mit dem Schritt wolle sich der transnationale Konzern eine Sonderbehandlung verschaffen. Und überhaupt: Mit einem Wirkungsgrad von knapp 50 Prozent sei das Steinkohlekraftwerk nicht effizient genug.

Alle drei Kritikpunkte widersprechen nach Ansicht von Greenpeace und Weed den Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), zu denen sich Vattenfall bekannt hat. Die Umweltschützer wollen sich deshalb nun beim Bundeswirtschaftsministerium über den Konzern beschweren.

Vattenfall sieht dem "gelassen entgegen". Das Kraftwerk werde zu den effizientesten weltweit gehören. Im übrigen fordere man nur die Einhaltung eines Abkommens, das Deutschland unterzeichnet habe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.