Kochkurse für sozial Schwache: Das Hartz-IV-Kochstudio

Wie kann man mit wenig Geld gutes Essen zubereiten? In der Gropiusstadt gibt es Kurse für sozial Schwache. Sie entdecken auch, wie kommunikativ Kochen ist.

Lecker und gesund: So muss Essen sein Bild: ap

Martina Streibel sitzt vor dem Waschhaus-Café in der Neuköllner Gropiusstadt und raucht. Sie ist nervös. Obwohl sie seit ihrem sechsten Lebensjahr kocht und im vergangenen Jahr sogar ein eigenes Kochbuch herausgegeben hat. Damit, so hoffte sie, werde sie den Weg zurück in die Selbstständigkeit finden. Raus aus Hartz IV. Das hat bisher nicht geklappt, aber Christiane Lehmacher-Dubberke, Sprecherin der Diakonie, war so begeistert von der Idee, dass sie Streibel vorschlug, Kochkurse für Hartz-IV-Empfänger zu veranstalten.

Gleich sollen etwa zehn Leute kommen, um von ihr zu lernen, wie man auch mit wenig Geld gut kochen kann. Maximal drei Euro kostet ein Gericht aus ihrem Buch pro Person. Die Lebensmittel hat sie im nahegelegenen Discounter gekauft, Gemüse und das Obst für den Nachtisch beim türkischen Gemüsehändler. 33 Euro hat sie für alles zusammen bezahlt, die Kosten übernimmt die Diakonie.

Das Waschhaus-Café versteht sich nicht als Dienstleistung, betont Eveline Lämmer, die Initiatorin des Projekts. Ihr Ziel ist vielmehr die Zusammenführung der unterschiedlichen Bewohnergruppen. Mehr als die Hälfte der Mieter in Gropiusstadt sind über 60, jüngere Familien sind zumeist Einwanderer aus Syrien, der Türkei, Ungarn. Es gebe eben viele Vorbehalte, auch Sprachbarrieren, äußert sich Lämmer vorsichtig. Um die nachbarschaftliche Solidarität, die es hier früher gegeben haben soll, zu stärken und die einzelnen Anwohner aus ihrer Isolation zu holen, müsse der Bedarf an Angeboten neu definiert werden.

Mittlerweile haben sich die Kursteilnehmer in der Küche eingefunden, nur vier Frauen und ein Mann. Trotz anhaltender Wirtschaftskrise sind kaum Hartz IV-Empfänger gekommen, dafür Menschen wie Uwe und Heidi Lutter. Seit anderthalb Jahren wohnen sie in der Siedlung, beide sind Rentner, auch für sie sind Streibels Rezepte interessant. Früher haben er und seine Frau "Vorratshaltung" betrieben, häufig wurde etwas schlecht; heute kaufen sie nur noch das, was sie tatsächlich verbrauchen. "Da spart man eine Menge", meint Uwe Lutter. Vor allem aber kommen sie, um sich auszutauschen, Nachbarn kennenzulernen.

Das muss nun aber vorerst warten, denn eben erklärt Streibel das Menü: Hühnchenpfanne mit Kokosmilch und Gemüse, Joghurt mit Honig, Zimt und frischen Früchten. Dann verteilt sie die Aufgaben. Weil alle Teilnehmer auch zu Hause gern kochen, werden beim Schälen, Schneiden und Abschmecken Erfahrungen ausgetauscht. Und entdecken: Frisch gemahlener Pfeffer schmeckt besser, und es gibt die Mühlen samt Inhalt ebenso wie das exotischere Singapore-Gewürz auch im 1-Euro-Laden.

Dann wird aus der allgemeinen Hektik plötzlich zufriedenes Schweigen. Die Kursteilnehmer haben an dem langen Tisch im Café Platz genommen. Mit dem Ergebnis der ersten Stunde sind alle zufrieden, diskutiert werden lediglich noch die Säure im Salat und die Kombination von Kokosmilch und Ingwer. Auch Martina Streibel ist jetzt entspannt, die einzige Sorge in diesem Moment: "Was machen wir mit den Resten?" Denn es zeigt sich: Ihre Kalkulation war nicht zu knapp, alle werden satt - obwohl am Ende zwölf Personen, davon viele Mitarbeiter des Cafés, mitessen.

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