Kommentar Stärkung der Finanzaufsicht: Spätalarm statt früher Warnung

Das Gesetz zur Stärkung der Finanzaufsicht wird Bankenpleiten und neue Finanzkrisen nicht verhindern. Erfolgsversprechender wäre ein höherer Eigenkapitalanteil der Kreditinstitute.

Zunächst klingt die Nachricht sehr beruhigend: Die deutsche Finanzaufsicht wird gestärkt. Doch tatsächlich fällt das Gesetz in die Windelweich-Kategorie "gut gemeint" - neue Finanzkrisen und Bankpleiten wird diese Idee der Bundesregierung nicht verhindern.

Nirgends zeigt sich das Problem deutlicher als bei der Bestimmung, dass die Bankaufsicht künftig bei "besonderen Risiken" mehr Eigenkapital verlangen kann. Denn was ist ein Risiko? Das steht keineswegs fest. Wie Schönheit ist Risiko eine Kategorie, die im Auge des Betrachters entsteht. Zudem kann sich die kollektive Auffassung, was als Risiko zu gelten hat, rasant verändern. Die jetzige Finanzkrise ist das beste Beispiel: 2005 wurden strukturierte Wertpapiere noch als die großen Ertragsbringer gefeiert - deswegen haben sich ja so viele Banken mit ihnen eingedeckt. Inzwischen gelten genau diese Papiere als toxischer Schrott, die das gesamte Finanzsystem destabilisieren. Wenn die Finanzaufsicht "besondere Risiken" aufspüren soll, dann klingt das wie ein Frühwarnsystem. Tatsächlich ist es der absolute Spät-Alarm und die Bankenpleite meist unausweichlich.

Wer Finanzkrisen verhindern will, muss weggekommen von dem Glauben, dass sich "besondere Risiken" verlässlich ermitteln ließen. Stattdessen ist generelle Vorsorge angebracht. Die staatliche Vorgabe wäre ganz einfach und heißt "Leverage Ratio": Für alle Kreditgeschäfte müssten die Banken ein bestimmtes Maß an Eigenkapital hinterlegen - es würde nicht mehr nach einzelnen Risikoklassen gewichtet, sondern pauschal angesetzt. Konsequenz: Die Banken müssten mehr Eigenkapital vorhalten. Deswegen hört man von diesem Vorschlag auch so wenig aus Regierungskreisen. Dafür haben die Banken schon im eigenen Interesse gesorgt.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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