Überraschender Rücktritt in Kroatien: Sanader erklärt sich für tot

Ministerpräsident Sanader ist amtsmüde und hat seine Stellvertreterin als Nachfolgerin vorgeschlagen. Er legt auch den Vorsitz seiner Partei nieder. Jetzt blühen die Spekulationen.

"Mein politisches Leben endet nun": Ministerpräsident Ivo Sanader ist zurückgetreten. Bild: reuters

SARAJEVO taz | "Mein politisches Leben endet nun." Das erklärte der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader am Mittwoch auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Zagreb. Er wolle sich nach 20 Jahren aus der Politik zurückziehen, und das nicht aus gesundheitlichen Gründen. Er werde Präsident Stipe Mesic empfehlen, seine bisherige Stellvertreterin Jadranka Kosor zur Regierungschefin zu ernennen.

Auch als Parteichef seiner Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) trat er zurück, Kosor soll auch dieses Amt übernehmen. Und er werde auch nicht für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren, erklärte Sanader. Er sei stolz, der kroatischen Nation in einer wichtigen Zeit gedient zu haben.

In Zagreb hat die Ankündigung Erstaunen ausgelöst. Denn bisher gab es kaum Anzeichen für eine Amtsmüdigkeit des Ministerpräsidenten. Spekulationen zielen allerdings auf die zermürbenden letzten Monaten wegen der Auseinandersetzungen mit Slowenien über den Grenzverlauf zwischen beiden Staaten an der Adria. Slowenien hat mit seinem Veto die Integration Kroatiens in die EU, die für 2010 angesetzt war, verzögert.

Und damit habe Sanader sein Lebenswerk gefährdet gesehen, spekulierten gestern Journalisten und Politiker. Andere verbinden seinen Rücktritt mit der wirtschaftlichen Krise und der hohen Verschuldung des Landes sowie mit den vorher erfolgten Rücktritten der Minister für Gesundheit, Tourismus und Erziehung.

Nach einer Wahlniederlage 2000 hatte Sanader die HDZ von einer nationalen Bewegung mit in eine konservativ-demokratische Volkspartei umgewandelt und die Rechtsaußenfraktion aus der Partei getrieben. Im Jahr 2003 gewann er die nächsten Parlamentswahlen. Vier Jahre später, im November 2007, konnte er sich erneut bei den Wahlen durchsetzen und sich damit eine zweite Amtszeit sichern. Seine Politik war nach innen und außen auf die Integration seines Landes in die Europäische Union ausgerichtet.

Der 1953 in Split geborene Sanader hielt engen Kontakt mit den kritischen Intellektuellen seines Landes. Sanader, der neben Englisch, Deutsch und Französisch auch fließend Italienisch spricht, gilt als Liebhaber der internationalen Literatur. Als künftigen Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten schlug er Andrija Hebrang vor, der zum rechten Spektrum der HDZ gehört und seit einiger Zeit als Kritiker Sanaders aufgetreten ist.

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