Kommunen schmieden Konzern: Energie bald in Bürgerhand?

Ein Bündnis von Kommunen will die Stadtwerke-Tochter Thüga von Eon übernehmen und so mit den Energiekonzernen konkurrieren.

Der Kaufpreis für die Eon-Tochter Thüga wird auf 3,5 bis 3,8 Milliarden Euro geschätzt. Bild: dpa

BERLIN taz | Auf dem deutschen Strom- und Gasmarkt zeichnet sich eine Neuordnung ab. Ein Bündnis von rund 60 Kommunen plant, die Stadtwerke-Tochter Thüga des Eon-Konzerns zu kaufen. Durch den Erwerb könnte der erste bundesweit einflussreiche Energieversorger im kommunalen Besitz entstehen. Offiziell halten sich die Beteiligten jedoch noch bedeckt. "Wir sind dabei, ein Angebot auszuarbeiten, falls Eon die Thüga verkaufen will", bestätigte ein Sprecher des federführenden kommunalen Versorgers Badenova der taz.

In der Thüga hat Eon rund 110 Beteiligungen an regionalen Versorgungsunternehmen gebündelt. Die Holding zählt mit 3,9 Millionen Strom- und 2,4 Millionen Gaskunden zu den größten deutschen Energieanbietern. Das Unternehmen steht für rund 20 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases. Branchenexperten rechnen mit einem Kaufpreis zwischen 3,5 und 3,8 Milliarden Euro.

Der deutschen Energiemarkt wird bisher von den Konzernen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW beherrscht. Im kommunalen Besitz könnte die Thüga für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt sorgen und für die beteiligten Kommunen Kostenvorteile erzielen, indem es den Energieeinkauf bündelt.

Konzernchef Wulf Bernotat hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, den Verkauf der Thüga-Holding zu prüfen. Hinter den Kulissen sondiert der Konzern seit Monaten mögliche Interessenten. Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland (FTD) vom Freitag steht eine Entscheidung nun kurz bevor. Zwei Konsortien mit rund 60 kommunalen Versorgern aus Städten wie Frankfurt, Freiburg und Würzburg haben sich laut FTD verbündet, um die Thüga zu übernehmen. Zu den Finanzierern des Geschäfts sollen neben der Commerzbank auch mehrerer Sparkassen und Landesbanken gehören. Ein Eon-Sprecher erklärte am Freitag, es gebe noch keine offizielle Entscheidung über einen möglichen Verkauf.

Das Bundeskartellamt hat Eon schon im vergangenen Jahr zum Verkauf der Thüga gedrängt, wollte am Freitag auf Rückfrage der taz keine Stellung nehmen.

Mit der Übernahme der Thüga würden die Kommunen Energiekonzernen wie der französischen Gaz de France oder der russischen Gazprom zuvorkommen. Die Kommunen würden sich nicht nur einen zuverlässigen Ertragsbringer sichern, sondern könnten die Konzernpolitik der Thüga auch stärker auf die kommunalen Interessen abstimmen. Einzelne Stadtwerke erhoffen sich so, politischen Vorgaben wie der Einhaltung von Klimaschutzzielen oder den Verzicht auf Atomenergie stärker Rechnung tragen zu können. "Mit Eon im Boot war es immer ein Zwiespalt, kurzfristige Gewinnerwartungen des Konzerns mit den längerfristigen Zielen der Kommunen in Einklang zu bringen", sagte eine mit den Vorgängen Vertraute Person der taz.

Eine Bürgerallianz aus Freiburg, die seit April Geld sammelt, um sich bei der Thüga einzukaufen, hält trotz der Gerüchte an ihrem Vorhaben fest. "Wir haben seit April bereits 7 Millionen Euro von rund 1.000 Mitgliedern dafür gesammelt", sagte Eckhardt Tröger von der Genossenschaft "Energie in Brügerhand". Tröger begrüßt den möglichen Einstieg der Kommunen bei der Thüga. "Die Kommunen rudern jetzt zurück, weil sie erkennen, was für ein Fehler es war, so ein lukratives Geschäftsfeld zu verkaufen."

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die einstige Thüringer Gas AG in mehreren Bundesländern die schwer beschädigten Gasnetze wieder auf. Im Zuge des Ausbaus kostspieliger Ferngasnetze aus Russland und Skandinavien sorgte die Thüga seit den Siebzigerjahren für den Anschluss dutzender Kommunen an die Ferngasversorgung. Im Gegenzug dafür erhielt die Thüga Minderheitsbeteiligungen an deren Stadtwerken. Als der deutsche Energiemarkt im Jahr 2000 liberalisiert wurde, stieg die Eon AG bei der Thüga ein und ist seit 2004 alleiniger Besitzer. Doch das Thüga-Modell ist Eon heute allem Anschein nach zu kleinteilig. Zudem kann der Konzern ohne Anteilsmehrheit die Geschäftspolitik der Stadtwerke nicht nach seinen Vorstellungen rationalisieren und Stellen abbauen.

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