Erster Carrotmob Deutschlands: Shoppen aus Protest

Kritische Konsumenten haben eine neue Aktionsform gefunden, um Firmen zu mehr Umweltbewusstsein anzuspornen. Sie gehen gezielt massenshoppen - am Samstag erstmals in Deutschland.

Angriff der Möhren: Website carrotmobberlin.com. Bild: Screenshot

BERLIN taz | Wer schon immer mal die volle Macht des Konsumenten auskosten wollte - am Samstag gibt es die Gelegenheit. Die Aktion hat bereits in Finnland, Kanada, Frankreich und Großbritannien großen Zuspruch gefunden. In den USA, dem Ursprungsland, entwickelt sie sich derzeit gar zu einer Massenbewegung. Nun findet sie erstmals auch in Deutschland statt. Es geht um den Carrotmob. "Bestimme selbst, wie nachhaltig das Geschäft laufen soll", heißt es im Aufruf der Berliner UmweltaktivistInnen, die dazu aufrufen, am Samstag, um 16 Uhr, zu dem Spätkauf "Multikulti" in der Wienerstraße 40 in Kreuzberg zu kommen, um dort gemeinsam den Wochenendeinkauf zu bestreiten. Der Ladenbesitzer habe sich bereit erklärt, 35 Prozent des Umsatzes bei dieser Aktion für den energieeffizienten Umbau seines Geschäfts aufzuwenden, so die Aktivisten. Damit sollen alle Seiten zu einer besseren C0-Bilanz des Ladens beitragen. "Es wird viel von der Macht der Verbraucher gesprochen", sagt Michael Dettbarn, einer der Initiatoren. Er und seine neun anderen Mitstreiter wollen sie auch nutzen. Unabhängig voneinander hatten sie von der Aktion erfahren und sich daraufhin über das Internet zusammen geschlossen. Mit Carrotmob wollen sie das Prinzip des Boykotts umdrehen und all jene Geschäfte belohnen, die bereit sind, ihren Beitrag zur Umwelt zu leisten. Konkret funktioniert das ganze so: Ähnlich einem Flashmob vernetzen sich die "Carrotmobber" über das Internet und vereinbaren, an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt sich vor einem bestimmten Spätkauf zu versammeln, um gemeinsam einzukaufen. Ausgewählt wird der Laden kurz vorher über eine Art Bieterverfahren. Welches Geschäft bereit ist, den höchsten Prozentsatz des Umsatzes für Energiesparmaßnahmen auszugeben, bei dem wird geshoppt. Ein Imagegewinn für den Geschäftsinhaber, glaubt Dettbarn. Für den Konsumenten bedeute es, "Erfolg und Misserfolg am Markt mit sozialer und ökologischer Verantwortung zu verbinden". Für die erste Carrotmob-Aktion in Deutschland haben die Umweltaktivisten mehrere Dutzend Spätkaufs über ihr Vorhaben informiert und sie aufgefordert, ein Angebot abzugeben. 35 Prozent hatte der Kreuzberger Spätkauf in der Wienerstraße geboten. Kein schlechter Anfang. Beim ersten Carrotmob vor einigen Wochen in Großbritannien hatte der Höchstbietende bloß ein Angebot von 22 Prozent gemacht. Carrotmobbing geht auf den US-amerikanischen Konsumaktivisten Brent Schulkin zurück. "Wenn die Menschen wirklich mit ihren Dollars wählen können, sollte es dafür nicht einen Wahltag geben?", fragte er sich. Der erste Carrotmob fand vor einem Jahr in San Francisco statt. Mehr als 30 Geschäfte wollten ausgewählt werden. Über 200 Leute nahmen teil. Am Ende verkaufte der auserwählte Laden innerhalb weniger Stunden so viel wie sonst in einer ganzen Woche. Und der Ladenbesitzer hielt sich an der Vereinbarung. Das Geld reichte für neue Lampen und neue Dichtungen in den alten Kühlgeräten. Auf die Frage, warum die Aktion zunächst nur auf Spätkaufs ausgerichtet ist und nicht etwa auch eine Supermarktkette einer großen Filiale einbezieht, antworten die Aktivisten: Große Einzelhandelsketten verfügten in der Regel über das nötige Fachwissen und Kapital, Energiesparmaßnahmen umzusetzen. Der kleine Einzelhandel hingegen nicht. "Wir verhelfen dem Geschäft zu mehr Umsatz und bieten die nötige Beratung, um das erwirtschaftete Kapital zu Gunsten der Umwelt einzusetzen", so die Umweltaktivisten. Und falls der Ladenbesitzer nach der Aktion nicht zu seinen Verpflichtungen stehen? Dann drohe ihm schlechte Publicity. Das Netz machte dies ja möglich. Prinzipiell ist die Aktion zwar offen für alle. Doch zumindest die am Samstag soll vor allem Berlinern vorbehalten bleiben. Auf ihrer Webseite bitten die Umweltaktivisten darum, für die Aktion nicht extra mit der Bahn oder gar mit dem Auto anzureisen. Schließlich gehe es darum, die Macht des bewussten Konsums zu zeigen und nicht extra CO2 in die Luft zu blasen. Nachahmer allerdings werden gern gesehen.

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