Kommentar Soziales Europa: Bei Glühbirnen ging es doch auch

Aufgabe der EU-Kommission wäre es, von ihrem Vorschlagsrecht auch bei der Sozialgesetzgebung Gebrauch zu machen und ehrgeizige europäische Mindeststandards vorzuschlagen.

Die EU-Kommission begreift sich zuallererst als Behörde, die faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt sicherstellt. Aus dieser Logik heraus begründet sie unter anderem ihre Vorschläge zur Umweltgesetzgebung. Denn würden in Polen weniger strenge Grenzwerte gelten, könnte dort billiger produziert werden. Gleiche Umweltstandards in allen Mitgliedsländern schaffen also einheitliche Startchancen.

Die gleiche Logik gilt für Sozialstandards und Arbeitnehmerrechte. Betriebsvertretungen, Kündigungsschutz, Elternurlaub und Krankengeld sind Kostenfaktoren. Sie benachteiligen den Arbeitgeber am jeweiligen Standort gegenüber EU-Ländern, wo geringere soziale Lohnnebenkosten entstehen. Dort kann nämlich billiger produziert werden. Der faire Wettbewerb ist gestört. Arbeitsplätze können verlorengehen, wenn Unternehmer ihre Betriebe in Länder mit niedrigeren Löhnen und Sozialstandards verlegen. Obwohl EU-Politiker wissen, dass ein krasses Sozialgefälle den fairen Handel im Binnenmarkt mindestens so drastisch behindert wie unterschiedliche Umweltstandards, kommt die EU-Gesetzgebung in diesem Bereich nicht voran. Während der Satz, eine Giftwolke kenne keine Grenzen, unmittelbar einleuchtet, werden aus der Tatsache, dass in einem Europa des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs die Menschen ihrem Arbeitsplatz hinterherwandern müssen, keine Konsequenzen gezogen.

Begründet wird das damit, dass die Sozialsysteme in Europa historisch zu unterschiedlich gewachsen seien, um einen gemeinsamen kleinsten Nenner zuzulassen. Doch das gilt für die Haltung zur Umwelt ebenso. Bis heute gehen Spanier und Franzosen völlig anders mit natürlichen Ressourcen um als Dänen oder Holländer. Das hat die EU-Kommission nicht daran gehindert, detaillierte Gesetzesvorschläge bis hin zum Verkaufsverbot für Glühbirnen zu machen. EU-Parlament und Regierungen haben die meisten dieser Gesetze abgesegnet.

Aufgabe der EU-Kommission wäre es, von ihrem Vorschlagsrecht auch bei der Sozialgesetzgebung Gebrauch zu machen und ehrgeizige europäische Mindeststandards vorzuschlagen. Wenn EU-Parlament und Regierungen diese Vorschläge mit dem Hinweis auf unvereinbare nationale Rechtstraditionen abbügeln, wäre das als billige Ausrede enttarnt.

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