Atomkraft: Proteste gegen Persilschein

Vattenfall will AKW Krümmel nach zwei Jahren Stillstand so bald wie möglich wieder in Betrieb nehmen. Atomkraftgegner kündigen massiven Widerstand an

In Lauerstellung: Hinter einem Zaun wartet das AKW Krümmel darauf, wieder angefahren zu werden Bild: dpa

Mit massiven Protesten wollen Atomkraftgegner die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks (AKW) Krümmel des Energiemonopolisten Vattenfall verhindern. "Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass es auch ohne Krümmel genügend Strom gibt. Niemand braucht dieses AKW. Nur Vattenfall will mit ihm weiter Profite auf Kosten der Allgemeinheit machen", sagt Jochen Stay von der Anti-Atom-Kampagne "ausgestrahlt". Krümmel sei mit weit über 300 meldepflichtigen Ereignissen einer der "unsichersten Reaktoren der Republik. Als Neubau würde er niemals mehr eine Genehmigung bekommen", so Stay.

Die erste Protestaktion soll am morgigen Donnerstag vor dem Kundenzentrum des AKW in Geesthacht stattfinden. Für 18 Uhr hat Vattenfall dort zu einem "Bürgerdialog" über die laufenden Reparaturarbeiten und die häufigen Leukämiefälle in der Umgebung Krümmels geladen. Der Epidemiologe Peter Kaatsch von der Universität Mainz, Mitautor einer Kinderkrebsstudie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz, solle dort "dem AKW einen Persilschein ausstellen", fürchten Atomkraftgegner.

Ende April war bekannt geworden, dass ein weiteres Kind in der Elbmarsch an Blutkrebs erkrankt ist. Seit 1989 sind im Umkreis von etwa fünf Kilometern um den Atommeiler 19 Kinder und Jugendliche an Leukämie erkrankt. Die genaue Ursache für diese weltweit höchste Krankenrate ist bislang ungeklärt. Viele Mediziner und Bürger machen den Atommeiler dafür verantwortlich und fordern seine Stilllegung.

Aber eben das will Vattenfall nicht. Ein Antrag auf Wiederanfahren des Meilers werde "noch im Juni gestellt werden", sagte Konzern-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow am Dienstag der taz. Sie bestätigte damit eine Äußerung des deutschen Vattenfall-Chefs Tuomo Hatakka in einem Zeitungsinterview. Eine Genehmigung könne dann "binnen einiger Tage" erteilt werden, sagte Christian Kohl, Sprecher des für die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein zuständigen Sozialministeriums. Experten der Reaktorsicherheit würden die Reparaturarbeiten in Krümmel "laufend überwachen", deshalb könne eine Endabnahme zügig erfolgen.

Krümmel steht nach dem Brand des Transformatorengebäudes seit dem 28. Juni 2007 still. Bei den Reparaturarbeiten kam es zu zahlreichen weiteren Pannen. Zeitgleich musste auch das Atomkraftwerk Brunsbüttel wegen eines Kurzschlusses in einer Schaltanlage bis jetzt abgeschaltet werden. Dort sollen die Reparaturen "hoffentlich noch dieses Jahr" abgeschlossen werden und der Reaktor wieder ans Netz gehen, sagt Meyer-Bukow. Eine vorzeitige Stilllegung des ältesten Atommeilers im Norden, dessen Restlaufzeit nach den Vereinbarungen des Atomkonsenses eigentlich 2011 enden würde, hatte Hatakka kürzlich ausgeschlossen.

Am Pfingstsamstag wurde auch das AKW Brokdorf zur Jahresrevision für etwa einen Monat vom Netz genommen. Seitdem ist die gesamte Region nördlich der Weser faktisch atomstromfrei - und kein Licht ist bislang ausgegangen.

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