Kommentar Steuerschätzung: Schulden machen ohne Alternative

Kurzfristig lässt sich diese Rezession nur mit einer höheren Neuverschuldung durchstehen. Eine jährliche Nettoneuverschuldung um die 4 Prozent ist kein Weltuntergang.

Besondere Krisen erfordern besondere Maßnahmen: Angesichts der massiv einbrechenden Steuereinnahmen ist es deshalb schon fast wieder ein gutes Zeichen, wenn es die Bundesregierung zulässt, dass die jährliche Neuverschuldung der öffentlichen Hand auf rund 90 Milliarden Euro steigt. Denn es belegt, dass der Staat mit aller Kraft die Rezession bekämpft und eine wichtige Lektion aus der Weltwirtschaftskrise von 1929 gelernt hat: Damals eskalierte die Lage erst richtig, als der deutsche Staat seine Ausgaben immer weiter zusammenstrich.

Die Ursachen für den wirtschaftlichen Absturz Deutschlands sind dabei zu großen Teilen hausgemacht: Die deutsche Wirtschaft ist abhängig von Exporten. Kein Land ist so auf die Kauflaune anderer Länder angewiesen. Kein Land der Eurozone hat aufgrund der mickrigen Lohnzuwächse seit den 1990er-Jahren gleichzeitig so wenig für den eigenen Binnenmarkt getan. Beides wirkt sich nun in der Rezession besonders drastisch aus, denn die Exportwirtschaft liegt am Boden und einzelne Sektoren wie die Stahlindustrie müssen Einbrüche von über 50 Prozent verkraften.

Die politische Diskussion vermittelt jedoch ein furchteinflößendes Gefühl von Ahnungslosigkeit: Steuersenkungen, wie sie etwa nun die Union im Wahlkampfwahn fordert, bringen der Konjunktur fast nichts. Denn von Steuersenkungen profitieren in erster Linie Wohlhabende, die in der Regel das zusätzliche Geld lieber anlegen und vermehren, statt es auszugeben. Auch Ausgabenkürzungen würden die Lage zweifellos verschlimmern. Es gibt deshalb keine Alternative: Kurzfristig lässt sich diese Rezession nur mit einer höheren Verschuldung der öffentlichen Hand durchstehen. Das mag nicht schön sein, aber eine jährliche Nettoneuverschuldung um die 4 Prozent ist kein Weltuntergang. Diese Ausgaben dienen schließlich dazu, die Kosten der Krise unterm Strich zu senken - wovon auch zukünftige Generationen profitieren.

Die Bundesregierung steht auch weiter in der Pflicht: Das deutsche Konjunkturpaket war für einen wirtschaftlichen Einbruch von 2 Prozent ausgelegt. Allein in diesem Jahr droht die deutsche Wirtschaft um 6 Prozent zu schrumpfen. Wenn noch ein Beweis nötig war für die Notwendigkeit eines dritten Konjunkturpakets, dann hat ihn die Steuerschätzung erbracht.

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