Düstere Aussichten: 316 Milliarden Euro Steuerausfälle

Jetzt sind die schlechten Nachrichten offiziell: Deutschland wird 2009 45 Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen als bisher geschätzt. Bis 2013 werden 316 Milliarden fehlen, so das Finanzministerium.

Stillstand in der Wirtschaft, Loch in den Steuerkassen. Bild: ap

BERLIN reuters | Neue Hiobsbotschaft für die Staatskassen: Bund, Länder und Gemeinden müssen sich bis 2013 auf beispiellose Steuerausfälle von insgesamt 316 Milliarden Euro einstellen. Das teilte das Bundesfinanzministerium am Donnerstag in Berlin nach Abschluss der Beratungen des Steuerschätzerkreises mit.

Allein in diesem Jahr muss der Staat mit Mindereinnahmen von 45 Milliarden Euro gegenüber der November-Schätzung rechnen. Für 2010 wird nochmals mit einem Ausfall von 84,7 Milliarden gerechnet im Vergleich zur Steuerschätzung vor einem Jahr. Im Jahr 2011 steigen sie voraussichtlich auf 93,4 Milliarden Euro. 2012 wird mit Mindereinnahmen von 93,2 Milliarden Euro gerechnet. Für 2013 wurde das erste Mal geschätzt, hier gibt es keine Abweichungen.

Ausfälle in diesem Ausmaß hat es bisher noch nicht gegeben. Die Staatsfinanzen drohen wegen der Mindereinnahmen in einer bisher unvorstellbaren Größenordnung in den nächsten Jahren aus dem Ruder zu laufen. Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stellt sich auf eine Schuldenexplosion ein. Er kündigte zuletzt einen Anstieg der Neuverschuldung für 2009 auf rund 80 Milliarden Euro an. Auch im nächsten Jahr plant Steinbrück neue Kredite für den Bund in dieser Größenordnung oder gar mehr ein. Bis Ende Mai soll ein zweiter Nachtragsetat für 2009 vorliegen.

Die dramatischen Einbrüche sind vor allem Folge der schwersten Rezession in Deutschland seit Kriegsende. Die Staatskassen müssen aber auch Mindereinnahmen aufgrund von Steuerentlastungen und Konjunkturpaketen verkraften. Hinzu kommen weitere Milliardenlasten durch Mehrausgaben für Sozialkassen, Zinsen und Langzeitarbeitslose. Deutschland steuert damit in den nächsten vier Jahren auf eine Rekordverschuldung von mehr als zwei Billionen Euro zu.

Basis der Mai-Steuerschätzung ist die Wachstumsprognose der Regierung, die für 2009 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um sechs Prozent erwartet. Für 2010 rechnet sie mit einem Mini-Wachstum von 0,5 Prozent. Mittelfristig dürften - bei normaler Konjunktur - die Steuereinnahmen wieder zulegen, aber von einem weit niedrigeren Niveau aus. Daraus ergibt sich die gigantische Finanzlücke bis 2013.

Neben hohen Einnahmeverlusten schlagen hohe Mehrausgaben wegen der Konjunkturpakete, weiterer Zinszahlungen und absehbarer Milliarden-Zuschüsse an Sozialkassen und für Langzeitarbeitslose zu Buche. Aus Sicht von Unions-Hauhaltspolitikern wird der Bund 2009 seine Nettokreditaufnahme auf gut 58 Milliarden Euro anheben. Das läge weit über dem Negativrekord von Theo Waigel (CSU) von gut 40 Milliarden Euro im Jahr 1996. Bisher sind fast 37 Milliarden veranschlagt. Einschließlich des Investitions- und Tilgungsfonds für das Konjunkturpaket dürfte die Neuverschuldung nach Berechnungen der Union auf 84 Milliarden klettern und 2010 auf 95 Milliarden Euro.

Die öffentlichen Haushalte würden durch die Krise massiv belastet, sagte Steinbrück der Neuen Presse. "Wir werden in diesem Jahr die Gesamtverschuldung in einer Größenordnung von 80 Milliarden Euro erhöhen. Dies wird sich ähnlich auch im Jahr 2010 fortsetzen." Zusätzliche Ausgaben der Ministerien für 2010 seien nicht realisierbar. Steinbrück kündigte an, er werde im Kabinett eisern durchsetzen, dass nur die Ansätze aus dem bestehenden Finanzplan für den Entwurf des Bundeshaushalts 2010 umgesetzt würden.

Steinbrück kritisierte Unions-Pläne für Steuerentlastungen in der nächsten Wahlperiode sowie Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. "Steuersenkungsversprechen sind schlicht und einfach eine Täuschung der Wählerschaft", sagte er der Passauer Neuen Presse. Der Abbau der Neuverschuldung sei die zentrale Aufgabe bis 2013. CDU-Chefin Merkel versuche ein magisches Dreieck zu beschreiben, das bei den Haushaltsbedingungen und Wachstumserwartungen unerreichbar ist.

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte im Hamburger Abendblatt erneut Steuersenkungen und attackierte Steinbrück: "Finanzminister Steinbrück hat so viel Geld verbrannt - er ist der Letzte, der uns Ratschläge geben könnte." Die Steuerschätzung sei der Beweis dafür, wie dringend notwendig eine Steuerreform sei.

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