Gesetz zu Spätabtreibungen: Bundestag billigt Verschärfung

Parteienübergreifend hat der Bundestag eine Pflichtberatung nach der Diagnose einer Behinderung des Kindes beschlossen. Bis zum Eingriff müssen drei Tage verstreichen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte für die Singhammer-Lösung, die sich schließlich durchgesetzt hat. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach jahrelangen Diskussionen hat der Bundestag am Mittwochabend die Regelungen für eine Spätabtreibung verschärft. Künftig müssen drei Tage zwischen der Diagnose über eine Schädigung des Fötus und einer Abtreibung liegen.

Zudem muss der Arzt, der die Diagnose einer Behinderung des Kindes gestellt hat, eine Beratung anbieten. Tut er dies nicht, droht ihm ein Bußgeld von 5.000 Euro. Die Schwangere kann sein Angebot freiwillig in Anspruch nehmen. Eine statistische Erhebung der Fälle wurde jedoch im Parlament abgelehnt.

Kern der umstrittenen Gesetzentwürfe war die Beratung von Schwangeren, bei denen nach der 12. Woche eine Schädigung des Fötus festgestellt wird. ÄrztInnen können dann eine "medizinische Indikation" zur Abtreibung erstellen - wenn die Schwangerschaft die seelische oder körperliche Gesundheit der Frau beeinträchtigt. Es geht dabei auch um Spätabtreibungen ab der 23. Woche, wenn Föten als lebensfähig gelten.

Im Parlament setzte sich der Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Johannes Singhammer (CSU), Kerstin Griese (SPD) und Ina Lenke (FDP) durch. 326 Abgeordnete stimmten für diesen Antrag. Keine Mehrheit fand sich für den konkurrierenden Entwurf einer Gruppe um Christel Humme (SPD), der eine vorgeschriebene Bedenkzeit und die Beratungspflicht des Arztes mit Bußgeldandrohung ablehnte. Die Fraktionsmitglieder stimmten über die Parteigrenzen hinweg ab. Die Linksfraktion lehnte beide Anträge ab.

Johannes Singhammer (CSU) betonte, er habe sich vor einem Jahr nicht vorstellen können, dass man über Parteigrenzen und festgefahrene Positionen hinweg zusammenfinden werde. Er würdigte die "emotionale, aber stets ernsthafte Debatte" im Vorfeld der Bundestagsentscheidung. Kerstin Griese (SPD) sagte nach der Abstimmung: "Damit haben wir eine bessere psychosoziale Hilfe für die betroffenen Frauen gesetzlich garantiert."

Christel Humme (SPD), deren Antrag keine Mehrheit erhielt, erklärte, eine starre Bedenkzeit setze die betroffenen Frauen zusätzlich unter Druck und könne "grausam" sein. Bußgeldandrohungen bei unterlassener Beratung untergrüben das Vertrauensverhältnis zwischen Patientinnen und und Ärzten.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung begrüßte die Entscheidung. Ihr Vorsitzender Robert Antretter sagte, nun gebe es eine "wirkliche Hilfe für schwangere Frauen, die ja meist völlig unvorbereitet mit der Diagnose konfrontiert werden, dass sie ein behindertes Kind erwarten." Auch der Caritas-Verband lobte die geplante Gesetzesänderung, die zum "Schutz des ungeborenen Lebens als absolut schützenswertes Gut" beitrage.

Pro Familia hingegen kritisierte die Entscheidung des Parlaments. Ulla Ellerstorfer, die stellvertretende Vorsitzende des Verbands, zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung. "Wirkliche Hilfen für Frauen, die vor einer solchen Entscheidung stehen, beinhaltet das Gesetz nicht - wer anderes sagt, betreibt Schaumschlägerei." Jede Frau werde nun drei Tage lang Angst haben, ob ein Arzt die Indikation für eine Abtreibung ausstelle. Auch der Arzt werde sich reiflich überlegen, ob er das Risiko eingeht, eine Indikation zu stellen - wenn nun unter Umständen Bußgelder drohen, so Ellerstorfer. Auch der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) hatte zuletzt gewarnt, mit einer Verschärfung würden mehr Frauen aus Deutschland zum Schwangerschaftsabbruch ins Ausland ausweichen.

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