Zähflüssige Belehrung

ERDGASFÖRDERUNG Gus Van Sants „Promised Land“ (Wettbewerb) läutert seinen Protagonisten dramaturgisch allzu vorhersehbar

Der Film schleppt sich dahin, zusätzlich abgefedert durch die unendliche Natursanftheit einer Dorfschullehrerin

VON SIMON ROTHÖHLER

Wenn große Konzerne ihre Agenten in Kleinstädte schicken, gilt es, den urbanen Habitus zu camouflieren. Also stehen Steve (Matt Damon) und Sue (Frances McDormand) in einem vollgestellten Ladengeschäft in der Provinz Pennsylvanias und kaufen klobige Boots und Flanellhemden. In Designerschuhen läuft es sich nicht gut über Farmland, und die volkstümliche Verkleidung soll eine asymmetrische Interessenlage maskieren.

Steve und Sue arbeiten für einen Energiekonzern mit dem unbescheidenen Namen „Global“. Sie reisen durch ein amerikanisches Hinterland, in dem es keine Industriejobs mehr gibt und die Landwirtschaft vor die Hunde geht. Steve ist selbst ein Smalltown Boy aus Iowa gewesen und meint zu wissen, dass vielen Gemeinden nur zu helfen ist, wenn sie ihr Land für die Rohstoffausbeutung freigeben.

Die Profite macht dann zwar der Konzern, aber die Kleinstädter bekommen endlich auch ihr Stück vom Kuchen, nämlich „Fuck-You Money“, wie Steve an einer Stelle seinen Freiheitsbegriff präzisiert und dafür einen auf die Zwölf bekommt. Austeiler ist ein wortkarger Farmer, dessen Schrankkörper gelassen in einem authentisch abgetragenen Flanellhemd ruht.

„Fracking“ lautet die infrage stehende Fördermethode, bei der mit hohem Druck Wasser und eben auch chemische Zusätze in tief liegende Gesteinsschichten gepresst werden, um Risse zu erzeugen, durch die Erdgas entströmen kann. Die aktuelle Debatte über die Nachhaltig- und Umweltverträglichkeit dieses Verfahrens, insbesondere in Bezug auf das Grundwasser, bildet den Hintergrund von Gus Van Sants Wettbewerbsbeitrag „Promised Land“, der auf einer Geschichte von Dave Eggers beruht und seine Weltpremiere vor Kurzem bereits auf dem Sundance Festival feierte.

Matt Damon hat das Drehbuch selbst geschrieben. Wenn man seine klugen politischen Interviews etwa zum US-Bildungssystem kennt, staunt man über die schematische dramaturgische Anlage, mit der hier Sozialkritik auf Umweltschutz trifft. Abgesehen von einem einzigen Plot-Twist, der sich umständlichst selbst anmoderiert und dennoch an dieser Stelle nicht verraten werden soll, entsteht dabei wenig Dynamik. Es mag guten Populismus geben, hier aber nervt eine Weichspülmischung, zu der Van Sant unspezifisches Bildmaterial beisteuert.

Letzten Endes muss Matt Damon stellvertretend für alle, die glauben, das schnöde Geld allein löse Strukturprobleme und mache glücklich, eines Besseren belehrt werden. Zähflüssig schleppt sich der Film bis zu diesem Umschlagpunkt, der dann zusätzlich noch durch die unendliche Natursanftheit einer verliebten Dorfschullehrerin abgefedert wird. Uff.

Dabei gibt es einige Momente, in denen kurz die Möglichkeit eines weniger formelhaften Films aufscheint. Etwa als im Townhall Meeting das Selbstverständnis eines Gemeinwesens als Produktivkraft ansatzweise erkennbar wird. Oder als Damons Knirschgesicht die Frage aufwirft, ob man für eine bessere Welt nicht gezielter das ganze Unglück mobilisieren müsste, das im Inneren von fiesen Globalkonzernen seinem Nine-to-five-Job nachgeht.

■ Heute, Friedrichstadt-Palast, 12 Uhr; Berliner Festspiele, 20.45 Uhr; 15. 2., F’stadt-Palast, 22.45 Uhr; 17. 2., F’stadt-Palast, 15.4 Uhr