Streit um Veröffentlichung von Agrarhilfen: EU droht Deutschland mit Klage

Agrarministerin Aigner entschied sich gegen die Veröffentlichung. Deutschland ist das einzige Land in der gesamten EU, das sich weigert. Greenpeace vermutet plumpen Wahlkampf.

Prost, Frau Aigner. Hauptsache Sie wissen Bescheid, wer wie viele Subventionen bekommt. Bild: dpa

BERLIN taz | Die EU-Kommission hat Deutschland gedrängt, die Namen der Empfänger von Agrarsubventionen zu veröffentlichen. Nachdem sich die Bundesregierung vorerst gegen diesen Schritt entschlossen hatte, betonte EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, sie erwarte von Deutschland, dass es die Daten jetzt veröffentliche, "mit Ausnahme jener Fälle, in denen es derzeit noch Verfügungen dagegen gibt". Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hatte den Entschluss mit Entscheidungen von Gerichten begründet, die den Bundesländern die Veröffentlichung mit Verweis auf den Datenschutz untersagt hatten. Aigner forderte die Länder auf, Revision gegen die Entscheidungen einzulegen und somit Urteile der Oberverwaltungsgerichte und damit Rechtssicherheit zu erreichen.

Nach einem Beschluss des Europäischen Rates von 2006 - dem auch die Bundesrepublik zugestimmt hat - sind alle EU-Staaten seit dem 1. Mai verpflichtet, die Daten im Internet zu veröffentlichen. Nach Angaben der EU-Kommission ist Deutschland derzeit das einzige Land, das sich dem EU-Transparenzgesetz von 2006 verweigert. Die EU-Behörde hat Deutschland eine Zweiwochenfrist gesetzt, um die Daten zu veröffentlichen. Andernfalls werde die Kommission die Regierung per Klage zwingen, das Gesetz umzusetzen. Als letzter Schritt sind auch Geldstrafen möglich.

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Entscheidung Aigners. Sie mache sich zur Marionette von Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner und der Agrarindustrie, sagte Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter. "Auf der politischen Bühne geht es einen Monat vor der Europawahl offensichtlich mehr um die Interessen ihrer Klientel als um Transparenz für die Bürger", so Hofstetter. Die Mehrheit der Landwirte in Deutschland habe nichts zu verbergen. Der Präsident des Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, argumentiert, dass auch andere Branchen staatliche Hilfen bekämen. Es sollten also alle Subventionsempfänger veröffentlicht werden - oder keiner.

Marita Wiggerthale von der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam hingegen kritisiert, von den Agrarbeihilfen profitierten vor allem die großen Lebensmittelkonzerne. So habe der Nahrungsmittelgigant Nestlé 2005 europaweit 48 Millionen Euro erhalten. Auch die Lufthansa kassiert laut Greenpeace kräftig Exportbeihilfen, weil sie europäische Agrarprodukte wie Fleisch auf Flügen außerhalb Europas servierte. Wiggerthale von Oxfam sagt: "Aigner hätte die Empfänger in den Bundesländern veröffentlichen können, in denen es keine entsprechenden Gerichtsurteile gibt." Datenschutzrechtliche Bedenken könne sie nicht nachvollziehen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz habe Oxfam schon vor zwei Jahren bestätigt, dass er keine entsprechenden Vorbehalte hege.

Der Streit darüber, ob die Informationen veröffentlicht werden dürfen oder nicht, wird wohl in den nächsten Wochen vor Gericht ausgefochten. Inzwischen beschäftigen sich bundesweit die Verwaltungsgerichte mit der Frage, ob die Preisgabe den Datenschutz verletzt. Die Gerichte in Wiesbaden (Hessen) und Schleswig (Schleswig-Holstein) hatten zuletzt die Veröffentlichungen mit Hinweis auf den Datenschutz gestoppt. Insgesamt sind an verschiedenen Verwaltungsgerichten elf Eilverfahren anhängig, in denen Kläger die Veröffentlichung ihrer Namen und erhaltenen Gelder verbieten möchten.

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