Polizei findet keinen Sprengsatz: Bombenalarm in französischem AKW

Im französischen Atomkraftwerk Chinon ist am Donnerstag nach einem anonymen Drohanruf Bombenalarm ausgelöst worden. 198 Mitarbeiter wurden evakuiert, gefunden wurde nichts.

Betreiben das AKW Chinon: Die Elektrizitätswerke EDF. Bild: dpa

PARIS taz | „Bombe hinterlegt“, lautet die knappe Nachricht, die ein unbekannter Anrufer am Donnerstag Morgen, kurz vor 6 Uhr, bei der Wachstelle des Atomkraftwerkes Chinon abgibt. Wenig später werden 198 Beschäftigte aus der Anlage evakuiert. Bloß das für die „vitalen Funktionen“ (O-Ton der Elektrizitätswerke EDF) unabkömmliche Personal bleibt im Werk. Mehr als fünf Stunden später, als immer noch Polizisten mit Hunden die große Anlage am Ufer der Loire durchsuchen, informiert die Werksleitung und der Betreiber, der französische Elektrizitätskonzern EDF, die Öffentlichkeit. Die „neuralgischen Punkte“ seien bereits durchsucht worden“, erklärt Kabinettdirektor Nicolas Chantrenne gegenüber der Nachrichtenagentur afp: „Ohne Resultat".

Im Rathaus von Chinon, der Stadt auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses, die für ihren süffigen Wein bekannt ist, wissen die Verantwortlichen mittags noch nichts von der Bombendrohung. Die für Polizeifragen zuständige Präfektur im 50 Kilometer entfernten Tours hat sie nicht informiert. „Die Präfektur nimmt die Drohung“, heißt es in Tours in der Pressestelle, „es geht gar nicht anders“.

Chinon ist das älteste Atomkraftwerk Frankreichs. Auf der Anlage befinden sich drei alte UNGG-Reaktoren, die 1973, 1985 und 1990 stillgelegt worden sind, außerdem vier neue Reaktoren vom Typ REP. Es ist das erste Mal in der Atom-Geschichte von Chinon, dass dort eine Bombendrohung einläuft. Am Donnerstag Nachmittag gibt keine Informationen über mögliche Hintergünde der Bombendrohung. Den Ermittlern fällt jedoch gleich ein, dass die rund 1.200 Beschäftigten von Chinon seit vergangenem Jahr einen sozialen Konflikt mit dem Elektrizitätskonzern EDF haben. Nachdem sich auf dem Verhandlungswege keine Annäherung fand, kam es in den vergangenen Wochen zu Streiks.

Der Generalsekretär der CGT in dem Werk, Guy Cleraux, erinnert daran, dass die Beschäftigten nicht nur eine fünfprozentige Lohnerhöhung, sondern auch mehr Personal verlangen. Darunter ChemikerInnen und andere TechnikerInnen. Jordy Hamelin, junger Beschäftiger, zählt auf, dass es durch den Personalmangel in dem Atomkraftwerk personelle Engpässe, Zeitdruck und Stress gebe. Er spricht auch davon, dass es wegen der zahlreichen noch jungen Beschäftigten an Erfahrung mangele.

Das soziale Klima im Atomkraftwerk Chinon hat sich in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert. Im Jahr 2007 brachte eine Selbstmordserie das AKW in die Schlagzeilen. Drei Beschäftigte begingen Selbstmord. Gewerkschafter machten den Druck auf die Belegschaft verantwortlich. Unter anderem zählten sie Stellenkürzungen, die Vergabe von gefährlichen Tätigkeiten im AKW an Subunternehmen und die Zunahme von Schichtarbeit als mögliche Hintergründe auf. Auch der damalige AKW-Betriebsarzt Dominique Huez machte das Klima am Arbeitsplatz für die Zunahme von Depressionen und Selbstmorden verantwortlich.

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