Mexikanische Grippe: "Keinen Grund zum Aktionismus"

Nachdem in den USA ein Kind an der "Schweinegrippe" starb, ruft die WHO die Pandemie-Warnstufe 5 aus. Experten versuchen zu beruhigen: in Deutschland besteht kein Grund zur Panik.

Die Krankenhäuser in Deutschland sind wie hier in Dorsten, Landkreis Recklinghausen, auf die Mexikanische Grippe vorbereitet. Bild: dpa

BERLIN taz | Die EU-Gesundheitsminister konnten sich nicht auf eine Linie einigen bei ihrem Schweinegrippen-Treffen am Donnerstagnachmittag in Brüssel. Während Frankreich und Italien ein Flugverbot aus EU-Ländern nach Mexiko forderten, lehnten Spanien und Deutschland dies ab. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hielt ein Mexikoreiseverbot für keine wirksame Maßnahme und schlug vor, Ärzte auf Flügen mitzunehmen, wie es seit Donnerstag die Lufthansa tut.

Die Ministerin lehnte ebenfalls eine gemeinsame EU-Reserve von Anti-Grippe-Medikamenten ab. Diese Forderung kam von Dänemark. „Aber das nützt doch nichts, wenn nicht jeder Mitgliedstaat dafür sorgt, dass im eigenen Land genügend Medikamente vorgehalten werden", sagte Schmidt. Deutschland hat insgesamt etwa für ein Fünftel der Bevölkerung Medikamente auf Vorrat, was den Empfehlungen von Experten entspricht.

In Deutschland bestehe kein allgemeines Schweinegrippen-Risiko für die Bevölkerung, sagte Jörg Hacker vom Robert-Koch-Institut am Donnerstag in Berlin. „Wir sehen im Moment keinen Grund zum Aktionismus, keinen Grund zur Panik." Für Personen, die mit Erkrankten in Kontakt gekommen sind, besteht allerdings ein Risiko. Sie könnten unter ärztlicher Aufsicht vorsorglich mit Anti-Grippe-Medikamenten behandelt werden. Die Medikamente sind verschreibungspflichtig, da bei falscher Dosierung resistente Erreger gezüchtet werden können. Vom vorsorglichem Mundschutz-Tragen riet Hacker ab. Die Masken würden keinen kompletten Schutz bieten.

Aktuell gibt es in Deutschland etwa zehn Verdachtsfälle. Bei drei Menschen wurde die Erkrankung bestätigt. Sie befinden sich auf dem Weg der Besserung, so Hacker. Derzeit sei die Fallzahl in Deutschland relativ klein. „Es ist durchaus möglich, dass die Zahlen zunehmen", sagte Hacker. Auch könnte es in Deutschland durchaus zu Todesfällen kommen. Man solle nicht vergessen, dass schon eine normale Grippewelle hierzulande jedes Jahr über Tausend Tode zur Folge hat.

Im Falle einer Schweinegrippe-Pandemie solle die gesamte Bevölkerung zweimal geimpft werden, sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gestern in Berlin. Der neue Impfstoff könne so Experten in etwa drei Monaten vorliegen. Zurzeit wird das Verhalten der neuen Viren am Hochsicherheitslabor der Universität Marburg untersucht. Eine industrielle Produktion des Impfstoffes wurde noch nicht eingeleitet.

US-Präsident Barack Obama lehnte eine Schließung der Grenzübergänge nach Mexiko ab. In den USA wurde am Mittwoch der erste Schweinegrippe-Todesfall außerhalb der USA bekannt gegeben. Ein 23-Monate altes Kind, das mit seinen Eltern aus Mexiko in den US-Bundesstaat Texas eingereist war, erlag dem Virus. In Texas wurden vorsorglich mehr als 100 Schulen geschlossen. Rund 130.000 Schüler konnten zuhause bleiben.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte am Mittwochabend ihre Pandemie-Warnung von Stufe 4 auf 5 erhöht, da nunmehr Todesfälle in zwei verschiedenen Ländern aufgetreten sind. Sollte ein weiterer Mensch in einer anderen geographischen Region als Nord- oder Südamerika sterben, müsste die WHO ihre Warnung auf die höchste Stufe 6 anheben.

Das europäische Seuchenkontrollzentrum begrüßte die Anhebung. Michael Schmidt, Leiter des Instituts für Immunologie und Molekularbiologie an der Freien Universität, warnte vor einer Überbewertung der WHO-Warnungen. „Selbst wenn wir die Stufe 6 bekämen, heißt es auch nur, dass es sich etwas weiter ausbreitet. Es sagt nichts über die tatsächliche Gefahr."

In Mexiko lähmt die Grippe unterdessen das ganze Land. Die Regierung hat bis zum 5. Mai eine Schließung aller Unternehmen angeordnet, deren Produktion nicht dringend notwendig ist. Ausgenommen sind etwa die Lebensmittel-, Transport- und Gesundheitsversorgung. Mexikaner in anderen Branchen sollten jedoch zuhause bleiben, um weitere Ansteckungen zu vermeiden. Auch die Regierung wird möglichst viele Angestellte nach Hause schicken, außer in den Bereichen der Armee, Polizei und staatlichen Ölindustrie. Die Ausbreitung der Krankheit scheint sich inzwischen zu verlangsamen. Unklar ist, wie viele Menschen der Grippe erlagen. Ursprünglich war von über 170 Toten die Rede. Eindeutig auf die Schweinegrippe zurückgeführt wurden jedoch bisher nur 8 Todesfälle.

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