Prognosen von Regierung und Forschern: Nach der Krise ist vor der Krise

Düstere Aussichten: Führende Forschungsforscher erwarten, dass die deutsche Wirtschaft 2009 um sechs Prozent schrumpft - es wird also mehr als doppelt so schlimm wie angenommen.

Institute rechnen für 2009 mit einem Verlust von rund einer Million Arbeitsplätzen. Bild: dpa

Ist das Schlimmste schon vorbei? Oder wenigstens der Tiefpunkt in Sicht, von dem aus es wieder aufwärts geht? Zumindest hatte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim am Dienstag mit der Aussage überrascht, dass eine "zaghafte Belebung" der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte "wahrscheinlicher" werde. Es gebe eine "begründete Aussicht auf Bodenbildung." Für manche Experten war das ein "klares Wendesignal".

Doch der zarte Optimismus scheint fehl am Platze. Dem Vernehmen nach werden die führenden deutschsprachigen Wirtschaftsforschungsinstitute am Donnerstag in ihrem gemeinsamen Frühjahrsgutachten nämlich vorhersagen, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um sechs Prozent schrumpfen wird. Es wird also mehr als doppelt so schlimm wie bisher angenommen.

Die Bundesregierung erwartet ein Minus von fünf Prozent. Und im nächsten Jahr geht die Misere weiter. Der Internationale Währungsfonds IWF sagt voraus, dass Deutschlands BIP auch 2010 schrumpfen wird, und zwar um ein Prozent. Das war die erste wichtige Prognose, die Deutschland über zwei Jahre in der Rezession sieht. Auch das Gutachten der Institute soll eine ähnliche Tendenz aufweisen.

Ist damit jeder Optimismus obsolet? Die Lösung des scheinbaren Widerspruches: Die Mannheimer befragen für ihren monatlichen Konjunkturindex Analysten und institutionelle Anleger wie zum Beispiel Fondsmanager, also Experten, die vor allem die Finanzmärkte im Blick haben. Dort ist die große Panik in der Tat erstmal vorbei. Seit Mitte März sind die Aktienkurse im Schnitt um 30 Prozent gestiegen. Die Banken leihen sich wieder Geld untereinander und verlangen dafür nur noch ein Drittel so viel Zinsen wie noch im Herbst. Und während die Banken Anfang 2009 noch über 300 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank bunkerten, die dann dem Geldkreislauf entzogen waren, waren das Anfang April nur noch 20 Milliarden Euro "Das Fieber sinkt", sagte Manfred Jäger, Finanzmarktexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln der taz.

Der Grund für das wieder wachsende Vertrauen: Die Regierungen haben in den vergangenen Monaten klar gemacht, dass sie keine große Bank mehr dem Konkurs überlassen werden. Eine Pleite wie bei Lehmann soll sich nicht wiederholen.

Hinzu kommt: An der Börse wird vor allem mit Zukunft gehandelt. Die Entwicklungen dort nehmen mit rund einem halben Vorlauf die Entwicklung der realen Wirtschaft wie Handel, Produktion und Konsum vorweg. Vielleicht ist die große Welle an Firmenpleiten und Entlassungen, die sicher auf uns zurollt, dann schon vorbei.

Doch selbst wenn das so ist, bedeutet sie neue Risiken für die Banken, von denen die ersten in diesen Tagen mit guten Quartalszahlen überraschten. Noch profitieren die Institute aber von den neuen und weniger strengen Bilanzierungsregeln sowie von einer außergewöhnlich starken Nachfrage von Unternehmen, die den derzeit niedrigen Zinssatz für Umfinanzierungen nutzen. Das alles kann aber schnell zusammenbrechen, wenn insolvente Firmen ihre Kredite nicht mehr begleichen können. Dann wird offenbar, ob die Banken für diese Fälle genug Geld zur Seite gelegt haben. Der IWF geht davon aus, dass viele Finanzinstitute das wahre Ausmaß ihrer Verluste noch nicht eingeräumt haben und rechnet nun mit weltweit insgesamt vier Billionen US-Dollar Verlust durch die Krise. Besonders für europäische Banken prognostiziert der IWF schwierige Zeiten, da in Osteuropa noch massive Kreditausfälle zu erwarten seien. Wenn das passiert und die Rücklagen nicht ausreichen, werden die Probleme der Realwirtschaft wieder auf die Finanzmärkte durchschlagen - und die nächste Krisenwelle kommt.

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