Kommentar SPD-Wahlprogramm: Die Illusionen der SPD

300 Euro Steuerprämie, Abwrackprämie, Reichensteuer. Und über allen Wahlversprechen liegt der Schatten des Wahlbetrugs. Denn die SPD wird sie nach der Wahl nicht umsetzen können.

Die SPD blinkt im Wahlkampf links: Sie tut so, als wolle sie heldenhaft den Besserverdienenden ins Portemonnaie greifen. Jetzt möchte die Parteispitze einen Steuerbonus für Kleinverdiener ins Programm schreiben, mit der Börsenumsatzsteuer Aktienbesitzer triezen und mit einer Reichensteuer Spitzenverdiener stärker belasten. Wir haben verstanden, wollen Münte, Steinmeier und Co. dem krisengebeutelten Wahlvolk suggerieren. Allein, glaubwürdig ist ihre Sozialoffensive nicht, vor allem deshalb, weil die Sozialdemokraten das Wichtigste eben doch nicht verstanden haben.

Die Wähler lassen sich nämlich nicht für blöd verkaufen. Die rot-grüne Koalition unter SPD-Kanzler Schröder hat Gutverdienende gehätschelt, indem sie den Spitzensteuersatz in historisch einmaliger Weise von 53 auf 42 Prozent gesenkt hat. Wenn die Sozialdemokraten jetzt plötzlich die Reichen um ein paar lumpige Prozentpunkte mehr belasten wollen, merzen sie diesen sozialpolitischen Irrsinn nicht mal ansatzweise aus. Auch der 300-Euro-Bonus für Beschäftigte, die keine Steuererklärung abgeben, blendet eine Tatsache aus: Niedrigverdiener zahlen keine Steuern. Eine Discounter-Kassiererin, eine Friseurin oder ein Wachschützer werden deshalb nie in den Genuss der 300 Euro kommen.

Eine Senkung der Sozialabgaben wie Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung wäre der geeignete Hebel, um die Belastung arbeitender Armer zu senken – denn diese müssen sie voll zahlen. Den Mechanismus hat die SPD vor einem Jahr intensiv diskutiert und Vorschläge entwickelt, um der steuersenkungsversessenen Union etwas entgegenhalten zu können. Nun sind sie offenbar stillschweigend kassiert worden.

Und die SPD verschweigt ein weiteres Problem grundsätzlicher Natur. Egal welche sozialpolitische Großtat sie noch ankündigen wird – über allen liegt der Schatten künftigen Wahlbetrugs. Denn wenn nicht ein Wunder geschieht, hat sie genau zwei Optionen, wieder regieren zu dürfen: In einer großen Koalition unter Kanzlerin Merkel oder in einer Ampel mit der FDP. Und dass Christdemokraten oder Liberale eine Reichensteuer mittragen, ist illusorisch.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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