KZ-Wächter Demjanjuk: Knapp der Auslieferung entwischt

John Demjanjuk war schon auf dem Weg zum Flughafen, da stoppte ein US-Berufungsgericht die Abschiebung nach Deutschland, wo ihn ein Prozess erwartet. Nun wird erst der Einspruch der Anwälte geprüft.

Demjanjuk während einer Befragung durch den Staatsanwalt im Mai 2006. Bild: ap

SEVEN HILLS afp Das juristische Tauziehen um die Auslieferung des früheren KZ-Wächters John Demjanjuk geht weiter. Ein US-Berufungsgericht ordnete am Dienstag einen einstweiligen Stopp des Auslieferungsverfahrens an, nachdem der 89-Jährige bereits von Beamten der US-Einwanderungsbehörden in Gewahrsam genommen worden war. Damit entging Demjanjuk um Haaresbreite der Überstellung nach Deutschland, die diesmal unmittelbar bevorstand.

Die Entscheidung des Gerichts erfolgte praktisch in letzter Minute: Kurz zuvor hatten US-Beamte Demjanjuk aus dessen Privathaus in Seven Hills bei Cincinnati abgeholt, um ihn nach Deutschland zu überstellen. Laut US-Medien war er bereits auf dem Weg zum Flughafen und sollte am Mittwoch in München ankommen.

Das Gericht begründete die Aussetzung des Abschiebeverfahrens damit, dass der Einspruch Demjanjuks gegen die Auslieferung "weitere Abwägung" auf Seiten der Justiz erfordere. Es reagierte damit auf einen Eilantrag, den Demjanjuks Anwalt John Broadley am Dienstagmorgen eingereicht hatte, um eine neuerliche Prüfung des Abschiebeverfahrens per einstweiliger Verfügung zu erwirken.

Demjanjuks Verteidiger berufen sich darauf, dass die Auslieferung des 89-Jährigen wegen seines Alters und seiner Gesundheit gegen das völkerrechtliche Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung verstoßen würde. Die US-Justiz hat diese Argumentation aber wiederholt zurückgewiesen.

Offenbar hatte auch Demjanjuks Familie nicht mehr mit der jüngsten Wendung gerechnet. Unter Tränen verabschiedete sie den 89-Jährigen, als dieser von der Einwanderungsbehörde in einem Kleintransporter abgeholt wurde. Demjanjuk wirkte schwach, die Beamten transportierten ihn in einem Rollstuhl aus dem Haus.

Seit Karfreitag hatte Demjanjuk keinen juristischen Schutz mehr gegen eine Überstellung an die deutsche Justiz. An jenem Tag hatte die zuständige Einwanderungsbehörde eine Neuverhandlung des Auslieferungsverfahrens abgelehnt und damit den Weg für die Abschiebung des gebürtigen Ukrainers freigemacht. Mit dem neuerlichen Richterspruch ist er nun bis zu einer Entscheidung über den Einspruch seines Anwalts vor der Abschiebung geschützt.

Wie die US-Einwanderungsbehörde mitteilte, durfte Demjanjuk vorerst in sein Haus zurückkehren. Dort solle er wie bisher mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden. Die US-Behörden würden in dem Fall weiter eng mit den Behörden in Deutschland zusammenarbeiten, versicherte eine Sprecherin.

Der Gründer des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Rabbi Marvin Hier, zeigte sich zuversichtlich, dass Demjanjuk letztlich ausgeliefert wird. Trotz seines hohen Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit müsse der frühere KZ-Wächter vor Gericht gestellt werden. Die Menschen, die mit seiner Hilfe in die Gaskammern getrieben worden seien, "wären gerne 89 Jahre alt geworden", sagte der Gründer der Organisation, die sich mit der Aufarbeitung des Holocausts beschäftigt.

Demjanjuk soll in München der Prozess gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen vor. Er soll 1943 für ein halbes Jahr zu den Wachmannschaften des NS-Vernichtungslagers Sobibor im damals von Deutschland besetzten Polen gehört haben. Demjanjuk muss sich in München vor Gericht verantworten, da er vor seiner Auswanderung in die USA bis Anfang der 50er Jahre in der Nähe der bayerischen Landeshauptstadt lebte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.