Mehdorn-Rücktritt: Abgang "im Reinen"

Hartmut Mehdorn zieht sich von der Spitze der Deutschen Bahn AG zurück. Er habe sich "persönlich nichts Unrechtes vorzuwerfen". Politiker und Verbände sind erleichtert.

Kann sich nicht mehr halten: Noch-Bahnchef Mehdorn. Bild: ap

BERLIN taz Fehler bei sich selbst vermochte Hartmut Mehdorn bis zum Schluss nicht zu sehen. Er habe sich "persönlich nichts Unrechtes vorzuwerfen" und sei mit sich "im Reinen". Hinweise auf "strafrechtlich relevantes Verhalten" habe es bei der Bahn nicht gegeben, wiederholte er am Montag gleich siebenmal. Der "sogenannte Skandal" sei in Wahrheit "eine Kampagne zur Veränderung der Unternehmensführung und der Unternehmenspolitik".

Am Tag des Rücktritts von Bahnchef Hartmut Mehdorn zog die Deutsche Bahn AG Bilanz ihres Geschäftsjahres 2008:

Gewinn: Im Vergleich zu 2007 ging der Gewinn nach Steuern von 1,7 auf 1,32 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz nahm um 6,8 Prozent zu und lag bei 33,5 Milliarden Euro.

Fahrgastzahlen: Das Staatsunternehmen beförderte 1,9 Milliarden Fahrgäste im Jahr 2008. Das sind 84 Millionen mehr als im Vorjahr, ein Zuwachs von 4,6 Prozent. Sämtliche Bereiche des Personenverkehrs verzeichneten ein Plus: Fernverkehr 3,8 Prozent, Regionalverkehr 3 Prozent und Stadtverkehr 8 Prozent.

Güterverkehr: Der Transport von Gütern nahm wegen des britischen Tochterunternehmens EWS um 15 Prozent zu. Ohne diese Gewinne hätte die Sparte Güterverkehr allerdings rote Zahlen geschrieben. Mit Blick auf die ersten Monate des Jahres 2009 habe das stabile Geschäft des Personenverkehrs die Schwächen im Logistikbereich gestützt, sagte Mehdorn.

Mitarbeiterzahl: Die rückläufige Nachfrage angesichts der Wirtschaftskrise hat Folgen für die Bahnmitarbeiter. Die Kurzarbeit von 5.000 Arbeitern und Angestellten müsse auf 8.000 ausgeweitet werden, so die Bahnspitze. Entlassungen soll es nicht geben.

Dennoch, sagte Mehdorn schließlich ganz am Ende der Bilanzpressekonferenz, habe er dem Aufsichtratsvorsitzenden die Auflösung seines Vertrags angeboten. Dies sei die Folge einer "unzulässigen Vorverurteilung" und "aufgeheizten Atmosphäre". Mit seinem Rücktrittsangebot wolle er die "zerstörerischen Debatten" beenden, denn "sie schaden nicht nur dem Unternehmen, sondern dem Wirtschaftsstandort, ja dem ganzen Land".

Mehdorn stand in den vergangenen Wochen unter erheblichem Druck, weil er sich gegen Vorwürfe wehren musste, er habe gegen den Datenschutz verstoßen. Unter anderem hat die Bahn wiederholt die Adress-, Telefon- und Kontodaten sämtlicher Mitarbeiter abgeglichen. Endgültig hatte der Bahnchef den Rückhalt von Gewerkschaften und Politik verloren, als in den letzten Tagen bekannt wurde, dass E-Mails zehntausender Bahnmitarbeiter gezielt nach Kontakten zu Journalisten und Bahnkritikern durchsucht wurden. Zudem fing das Unternehmen eine E-Mail ab, die die Lokführergewerkschaft GDL während des Bahnstreiks 2007 an sämtliche Mitarbeiter verschickt hatte. Diese Vorfälle bestätigte Mehdorn am Montag - und verteidigte sie: "Nach derzeitigem Kenntnisstand gab es auch hierbei keine Rechtsverstöße." Die Bahn sei nicht verpflichtet gewesen, die Gewerkschaftsmail zuzustellen. Arbeitsrechtsexperten sehen das anders.

Mehdorn kündigte an, die Einzelheiten seiner Vertragsauflösung noch in dieser Woche mit dem Bahn-Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller zu besprechen. Er erwartet, dass ein Nachfolger noch vor der Sommerpause präsentiert wird. Die Bundesregierung setzt offenbar auf eine noch schnellere Lösung. "Noch in der ersten Wochenhälfte" würden die Beteiligten zusammenkommen und "hoffentlich eine Lösung finden mit einem höchst kompetenten, höchst engagierten Nachfolger" finden, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Montag. Er wollte jedoch über Mehdorn kein böses Wort sagen. Der Ex-Bahnchef habe in den letzten Jahren nicht "nur für die Bilanzen, sondern auch die Qualität der Personenbeförderung" viel getan. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erwartet eine rasche Klärung: "Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Aufsichtsrat zügig Gespräche aufnehmen und einen neuen Bahnchef präsentieren wird." Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der den Bahnchef zuletzt wiederholt scharf angegriffen hatte, gab sich wortkarg. "Ich respektiere die Entscheidung", sagte der Minister immer wieder.

Gewerkschaften und Umweltverbände reagierten erfreut auf die Nachricht von Mehdorns Rücktrittsangebot. Der Rückzug sei "die logische Konsequenz aus der Schnüffelaffäre", erklärten Alexander Kirchner, Vorsitzender der größten Bahngewerkschaft Transnet. Das privatisierungskritische Bündnis "Bahn für alle" erwartet, dass mit Mehdorns Ablösung auch die Fixierung auf einen Börsengang vorbei ist. "Die Spitzelaffäre um Mehdorn ist mehr als ein dunkler Fleck auf einem weißen Manager-Anzug", sagte Bündnis-Sprecher Stefan Diefenbach-Trommer. Auch der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub Deutschland sieht in Mehdorns Rücktritt die Chance für einen Neuanfang in der Bahnpolitik. Der Vorsitzende Michael Gehrmann stellte zudem Mehdorns Bilanz in Frage. Dessen Versuch, "das Unternehmen auf Kosten der Fahrgäste in die Gewinnzone zu bringen", hätten die Fahrgäste mit gravierenden Angebotseinschränkungen bezahlen müssen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.