Streit um Honorarreform: Ärzteverbände sollen unters Messer

Der Unmut über die Honorarreform für niedergelassene Ärzte wendet sich gegen ihre Verbände: die Kassenärztlichen Vereinigungen.

Sind niedergelassene Fachärzte gierig und nimmersatt? Oder sind die Kassenärztlichen Vereinigungen Quell des Übels? Bild: ap

BERLIN taz Kritik sind Ärztevertreter gewohnt. Sie gelten vielen als borniert, geldgierig und stets bemüht, Honorarverhandlungen zu Fragen von Leben und Tod ihrer Patienten zu stilisieren. Nun stimmt ausgerechnet einer der Ihren in diese Kritik ein. "Unsere Organisation ist nur noch ein Sinnbild des gierigen Arztes", sagte Axel Munte laut Süddeutscher Zeitung. Munte ist nicht irgendwer, sondern Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayern, der größten der 17 Regionalverbände. Die überraschende Schelte kommt Kritikern des Ärzteverbandes überaus gelegen.

Mit Blick auf die jüngste Honorarreform, die vor allem Fachärzte im Süden des Landes seit Wochen als ungerecht verurteilen, sagte Munte: "Ich schäme mich für eine Standesvertretung, die immer nur nach mehr Geld schreit, damit sich der Patient dafür Qualität kaufen kann." Eine qualitativ hochwertige Versorgung müsse jedoch selbstverständlich sein. Daher plädiere er für einen grundlegenden Reformprozess.

Nach jüngsten Hochrechnungen können die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland 2009 mit insgesamt 3,7 bis 3,9 Milliarden Euro mehr an Honoraren als im Vorjahr rechnen. Ärzte protestieren, das von der Bundesregierung gebilligte Honorar-Plus werde ungleich verteilt. Viele Ärzte verlören Honorare und müssten womöglich ihre Praxen aufgeben. Deshalb fordern sie bis zu 1,5 Milliarden Euro zusätzlich von den Kassen - und damit von den gesetzlich Versicherten.

Am Donnerstag kamen Vertreter der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen zu einem Krisentreffen in Berlin zusammen. Sie distanzierten sich "ausdrücklich" von Muntes Vorwürfen, sagte Andreas Hellmann, der Vorsitzende der Vertreterversammlung. Die niedergelassenen Ärzte versorgten in Deutschland jährlich 500 Millionen mal Patienten auf hohem Niveau. "Ihnen Gier und Handeln auf Kosten der Patienten vorzuwerfen, ist ein Schlag ins Gesicht der Niedergelassenen", sagte Hellmann.

Die Kritik eines ihrer obersten Vertreter macht offenkundig, was unter der Oberfläche seit langem schwelt: Viele der rund 150.000 Ärzte und Psychotherapeuten sind unzufrieden mit der Arbeit der Vereinigungen. Die Mitgliedschaft in den Ärzteverbänden ist Pflicht. Diese verteilen die Honorare und müssen überall in Deutschland eine medizinische Grundversorgung sicher stellen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) versucht seit Jahren, das Verhandlungsmonopol der KVen zu brechen. Deshalb stärkt sie zunehmend Hausarztverbände. Die Krankenkassen hat sie verpflichtet, mit den Hausarztverbänden bis Ende Juni spezielle Verträge abzuschließen, die sie als "Lotsen" der Patienten stärken sollen. Dies soll die KVen ebenso schwächen wie die Verbände der niedergelassenen Fachärzte.

So erklären sich auch die Reaktionen auf Muntes Ärzteschelte. Der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, sagte der taz: "Unser Verband ist nun einmal janusköpfig. Zum einen vertreten wir die Interessen unserer Mitglieder, zum anderen müssen wir die gesetzlichen Vorgaben umsetzen." Da komme es zwangsläufig zu Reibungen. Doch gehe er davon aus, dass das Motto der Ärzte gegenüber der KVen laute: "Wir lieben Euch nicht, aber wir brauchen Euch."

Der Sprecher des Deutschen Hausärzteverbands, Manfred King, wirbt für seine Organisation als Alternative zur KV. "Wir sagen seit langem, dass das System der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht reparabel ist", erklärte er der taz. "Bei uns hingegen ist niemand Zwangsmitglied. Wenn unsere Arbeit schlecht ist, dann gehen die Ärzte."

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) - keine Freundin der KV - warnte davor, die Ärzteverbände übereilt abzuschaffen. Wer dies fordere, habe "kein Konzept, wie die medizinische Versorgung jederzeit aufrecht erhalten werden soll". Sie habe "leichte Zweifel", dass die Krankenkassen die Notfallbetreuung besser bewerkstelligen könnten. Stattdessen müssten die KVen Dienstleister werden und lernen, Hausarztverträge als Ergänzungen ihrer Arbeit zu akzeptieren.

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